Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
Und gestern Abend hat Jack Kinley ein neugeborenes Kalb getötet. Sein eigenes Tier, in seinem eigenen Pferch! Ich hoffe, es ist ihm wenigstens peinlich.«
Sam hatte Kopfschmerzen. Sie zog Tanner am Ärmel. »Ist die Jagd der Wildhüter immer noch für heute angesetzt?«
Die stellvertretende Verwalterin wandte sich um. »Die sind im Augenblick in der Zentrale, teilen die Gegend auf und packen die Ausrüstung zusammen. Sie wollen um zwölf anfangen. Mit etwas Glück erledigen sie bald einen Berglöwen, und damit hat sich dann die Sache.« Tanner drehte sich wieder um und redete weiter mit dem Piloten.
Damit hatte sich dann die Sache? Und was war mit Zack? Hatten ihn schon alle abgeschrieben? Sam sah nach unten, sie wollte und konnte sich nicht damit abfinden, einen Puma für nichts und wieder nichts abschießen zu lassen und niemals zu erfahren, was mit dem Jungen geschehen war. Sie überflogen Curtain Wash, wo sie das Skelett gefunden hatten. Überall waren Seile gespannt. Abgesteckte Suchgebiete. Sam zählte drei Leute in Parkuniform und zwei mit den blauen Windjacken des FBI.
»Haben Sie die Sachen aus der Datenbank erhalten?«, fragte Tanner Perez laut. »Die Liste mit den Charlies?«
Der FBI-Beamte nickte und schlug mit der Hand auf seine Jackentasche.
Sam beugte sich zu ihm. »Charlies?«
»Eine Liste von vermissten Charlies und eine weitere von jungen Charlies aus Oregon, die in den letzten zehn Jahren bei der Polizei aktenkundig geworden sind.«
»Und?«
Er gab ihr ein paar zusammengefaltete Blätter. »Sechsundfünfzig. Zu viele, um alle durchzugehen.«
Sie warf einen Blick auf die erste Seite, bei jedem Namen stand eine kurze Beschreibung der gesuchten Person und der Grund, weshalb man sie suchte. Perez hatte zwei Namen eingekreist: Charles Richard Allen, vierunddreißig, seit vier Jahren vermisst. Carlos Jose Matera, achtundzwanzig, seit vierzehn Monaten vermisst.
Perez nickte. »Beide eher unwahrscheinlich. Allen war Zuhälter und Drogenhändler. Matera ist nur einen Meter fünfundsiebzig groß. Charlie wirkte mehr wie mindestens eins achtzig.« Perez zuckte die Achseln. »Vielleicht steht er auch gar nicht auf der Vermisstenliste. Viele Erwachsene werden nie vermisst gemeldet – insbesondere wenn niemand daran interessiert ist, dass sie wieder auftauchen.«
Wie traurig. Sie hatte zumindest einen Mitbewohner, dem es auffallen würde, wenn sie nicht nach Hause kam. Adam fiel ihr ein. Würde er sie vermissen? Sie wusste nicht mehr, ob sie Adam überhaupt noch etwas bedeutete. Und wenn sie genauer darüber nachdachte, konnte sie auch nicht mit Sicherheit sagen, ob sie einander je viel bedeutet hatten.
Sie studierte die zweite Seite. Straftäter. Auch hier hatte Perez ein paar Namen eingekreist: Carl Benson Lagos, achtundzwanzig, bewaffneter Überfall; Jason Charles Dane, neunundzwanzig, widerrechtliches Betreten; Karl Jacob Davinski, zweiunddreißig, Zerstörung von Baumaschinen.
»Wolf Davinski!« Sie zeigte auf den Namen. »Wie Fawn Bronwin gehörte er zu den Earth Spirits. Das muss Kojoten-Charlie sein.«
Perez Augen leuchteten auf. Er hielt die rechte Hand hoch. Sie schlug mit ihrer Rechten ab.
Barbara Jean Bronwin und Karl Jacob Davinski. BJB + KJD. Irgendwann waren Barbara und Charlie – Karl – ein Paar gewesen, zumindest für einen von ihnen.
In weniger als zehn Minuten waren sie beim Curtain und verließen den Hubschrauber in einem Wirbel aus Steinsplitt. »Sollen wir warten?«, schrie der Pilot.
Perez schüttelte den Kopf und gab dem Piloten ein Handzeichen aufzusteigen. Ja, die Höllenmaschine sollte nur verschwinden, dachte Sam und kauerte sich Schutz suchend zusammen.
Als der Lärm des Hubschraubers langsam verklang, hörte sie Flattern und Tschirpen. Eine neugierige Elster hüpfte in der Hoffnung auf Essbares auf einen Ast über ihnen. Die Vögel hatten bereits gelernt, dass Hubschrauber Leute brachten und diese normalerweise Essen dabeihatten. Ein Hauch von Salbei drang in ihre Nase. Die arme Pflanze war wahrscheinlich von den Rotorblättern zerhackt worden.
Der Curtain Creek floss als schimmerndes Rinnsal über die Mesa und verschwand in einem langen Riss im Boden. Die schmale Schlucht erstreckte sich im Zickzack dahinter, als hätte ein Blitz den Berg in zwei Teile gespalten.
»Das ist der berühmte Curtain?« Perez lugte in den Spalt. »Sieht nicht gerade beeindruckend aus.«
»Die Schönheit liegt innen.«
»Und wie kommen wir da hinunter?«
Sie ging zu einem
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