Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
ein wiedergeborener Anasazi.«
Sam dachte über die Auftritte von Charlie nach. Jeder rastete ab und zu mal aus. Aber das Phantom heulte regelmäßig einmal im Monat mit den Kojoten, als wäre es ein religiöses Ritual. »Er zeigt sich einmal im Monat. Ob er vielleicht in die Nähe gezogen ist? Was meinen Sie, Mr McElroy?«
»Nennen Sie mich doch Scotty; Mr McElroy hört sich nach Schulrektor an. Jemand von hier? Hm. Kojoten-Charlie ein Einheimischer? Habe ich noch nie drüber nachgedacht.« Schlürf, schluck. »Na ja, richtig nah könnte es nicht sein, Floral und Las Rojas fallen aus. Ich würde ihn wiedererkennen, wenn er mir über den Weg liefe. Außerdem kenne ich so ziemlich jeden, der hier im Umkreis lebt, und so knallverrückt ist keiner.«
Sam fragte sich sofort, wie viele Verrückte wohl in der Nähe des Parks wohnten, und was man anstellen musste, um als knallverrückt zu gelten. Hatten die Nachbarn des Una-Bombers ihn für verrückt gehalten? Oder die vom Mörder am Green River? Ihrer Meinung nach achteten die meisten nicht besonders auf die Leute in ihrer Umgebung. Die Abendnachrichten waren voll von Leuten, die hoch und heilig schworen, ihr Nachbar könne niemals den Mord begangen haben, wegen dem man ihn gerade verhaftet hatte.
Scotty McElroy dachte immer noch über ihre Frage nach. Schließlich sagte er: »Vielleicht kommt Charlie ja auch nur jeden Monat zu Besuch. Glauben Sie, der fährt den ganzen, weiten Weg von Oregon hier runter? Wär echt ein Ding, wenn der seltsame Typ hier jeden Monat seinen Cousin besucht, um mit den Kojoten zu heulen. Suchen Sie etwa nach dem armen, kleinen Jungen?«
»Genau«, sagte Sam. »Wir glauben, Kojoten-Charlie könnte etwas darüber wissen.«
»Heilige Scheiße. Hoffentlich geht das gut aus. Hoffentlich haben die Pumas ihn nicht erwischt.«
Sam wollte schon protestieren, entschied sich aber dagegen und sagte nur: »Ich auch.«
»Ich werd mich mal umhören, ob jemand mehr über Charlie weiß, und melde mich dann bei Ihnen.« Er schien sich über die Aufgabe zu freuen.
»Vielen Dank«, beendete Sam das Gespräch. Alte Wälder in Oregon. Anasazis. Scottys Geschichte erinnerte sie schwach an einen Bericht, den sie vor langer Zeit gelesen hatte, irgendetwas über die Verbindung zwischen amerikanischen Ureinwohnern und Bäumen.
Perez war immer noch in ein Gespräch vertieft, deshalb rief sie in ihrer Wohnung an. Eine brummige Männerstimme meldete sich.
»Blake«, sagte sie. »Ich bin’s, Sam. Du musst etwas für mich tun.«
»Wie spät ist es?«, jaulte er. Blake war eine Nachteule und schlief gerne bis zum Mittag, so oft sich die Möglichkeit bot.
»Halb zehn bei dir. Du solltest schon längst auf sein. Setz dich hin und hol dir was zum Schreiben.«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du am Morgen ein klein wenig autoritär bist?«
»Ich bezahl dich auch. Hast du einen Stift?«
»Etwas überwältigend? Einen Hauch streng?«
»Du musst die Zeitungsausschnitte von Umweltberichten durchschauen. Sie sind in der rechten unteren Schublade vom Aktenschrank.«
»Meinst du den Berg von Papier, der sich jedes Mal auf den Boden ergießt, wenn du die Schublade aufziehst?«
»Du sollst ja nicht alles lesen«, sagte sie. »Es ist wirklich wichtig. Such nur nach Berichten, die sich mit Aktionen beschäftigen, in denen es darum ging, alte Wälder in Oregon zu schützen. Ich glaube, es ist schon ein paar Jahre her, und die Gruppe hatte einen seltsamen Namen.«
»Haben sie das nicht alle?«
»Könnte etwas mit den Anasazi zu tun haben.«
»Ich schreib mit. Anna wer?«
»Anasazi.« Sie buchstabierte. »Amerikanische Ureinwohner. Ruf mich zwischen sieben und acht heute Abend an.«
»Zwischen sieben und acht?«
»Ich bin mitten im Nirgendwo ohne Stromanschluss, da kann ich das Telefon nicht rund um die Uhr anlassen. Aber ich werde es zwischen neun und zehn deiner Zeit anstellen.« Sie legte auf und packte das Telefon in ihre Weste.
Perez hielt sein Handy fest ans Ohr gedrückt, deshalb konnte sie nicht hören, was am anderen Ende gesagt wurde. Perez’ Äußerungen waren nicht besonders aufschlussreich, er brummte nur ein paar Mal und sagte dann: »Interessant. Wer behält die Fischers im Auge?« Und nach einer Pause: »Ach, großartig. Man bekommt eben das, was man bezahlt.«
Dann hörte sie Folgendes: »Wirklich? Ich? Heute?« Er sah sie von der Seite an.
Das musste sich auf die Website beziehen. Hitze stieg in ihrem Nacken auf und breitete sich auf beide
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