Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
Ecke brannte eine Lampe. Der Fernseher lief heute nicht. Seine beiden älteren Töchter übernachteten bei Freunden, fiel Rafael ein. Sehr gut, dann konnte er doch noch ein paar Stunden schlafen. Und obwohl er Rufbereitschaft hatte, brauchte er jetzt ein Bier; seine Nerven lagen blank. Wenn die »Daniel Boones« heute Morgen nicht betrunken umgefallen wären, Leeson und Taylor nicht kurz danach aufgetaucht wären, würde er vielleicht neben Kent Bergstrom im Krankenhaus liegen oder direkt in der Leichenhalle.
Den FBI-Beamten zufolge hatte sehr wahrscheinlich Fischer selbst die Lösegeldforderung geschickt. Was konnte man daraus schließen? Wollte er damit vielleicht vertuschen, was er dem armen Kleinen angetan hatte? Nun hatte er sich auch noch in den Park abgesetzt und schlich möglicherweise gerade dort herum, wo Sam Westin einen Spielzeugreifen gefunden hatte. Und falls der Reifen wirklich von Zachary Fischer stammte, was hatte das dann zu bedeuten? War der Kleine irgendwo da oben? Lebte er noch? Das war nicht sehr wahrscheinlich.
Die Techniker vom FBI stellten wer weiß was an, so etwas besprachen sie ja nicht mit einfachen Polizisten. Und die Krönung des Ganzen war, dass Thompson die staatlichen Jäger für morgen bestellt hatte. Alle Welt war verrückt geworden. Aber heute Nacht konnte er nichts mehr dagegen unternehmen. Vielleicht sollte er sich noch einen Schluck Tequila zum Bier genehmigen und sich dann in die Falle hauen.
Aus dem Badezimmer hörte er Platschen, leise Stimmen und Kichern. Anita badete wohl Enrique und Katie, ihre beiden Kleinen. Ein wenig Zeit mit den Süßen zu verbringen, würde ihm sicher guttun. Er hatte gerade die Hand auf der Türklinke, als eine tiefe Stimme sagte: »Und jetzt spielen wir ein ganz geheimes Spiel.«
Was zum –? Die Tür blieb am Badezimmerteppich hängen. Rafael zog den apricotfarbenen Vorleger mit der Fußspitze glatt und schob dann die Tür auf.
»Papi!« Katie und Rique sahen einander an, die dunklen Locken waren feucht vom Planschen. Russ Wilson saß zwischen kleinen Hemden und Unterhosen auf dem Boden, ein Handtuch über dem Schoß. Eine Hand hatte er auf Katies bloßem Rücken, die andere auf dem Rand der Badewanne. Überrascht sah er zu Rafael hoch.
»Ihre Frau ist – «, fing er an. »Miranda ist gleich wieder da. Sie bringt ein paar Pfannen zu – «
»Guck mal, Papi.« Enrique zog sich am Wannenrand hoch und hielt einen Plastikmessbecher über die Wanne, den er mit einem lauten Platschen entleerte.
Hatte Wilson einen Augenblick auf den Intimbereich des Jungen gestarrt? Rafael versuchte aus dem Gesichtsausdruck des Mannes schlau zu werden. Überraschung, so viel war klar. Hatte in Wilsons Augen nicht auch eine gewisse Verschlagenheit gestanden, bevor er den Ranger in der Tür bemerkte hatte? Eine kranke Befriedigung?
Rafael legte die Hand auf seine Pistole. »Sie gehen jetzt besser«, sagte er. »Und zwar sofort!«
Sam machte sich im Dunkeln auf den Weg zum letzten noch nicht durchsuchten Raum. An der Tür zog sie das Pfefferspray heraus. Dann trat sie rasch ein und hielt die Dose mit beiden Händen vor sich. Ein Windstoß fuhr hinter ihr durch die Tür und wirbelte Blätter aus einem Haufen in einer dunklen Ecke auf. Sie strengte sich an, damit ihre Pupillen sich schneller auf die veränderten Lichtverhältnisse einstellten. In ihrem Kopf pulsierte ein stechender Spannungskopfschmerz, und ihr Herz klopfte heftig.
Etwas zischte. Hielt jemand den Atem an? Ihre Haut kribbelte vor bösen Vorahnungen. Gleich würde sie einen eisigen Griff am Hals spüren oder den Druck einer Pistole an ihrer Schläfe. Wieder fuhr der Wind in den Raum. Kratziger Stoff berührte ihre Wange. Sie schnappte nach Luft und taumelte zurück, stieß gegen die Wand, warf den Kopf zur Seite und hob die Hand, um einen Angriff abzuwehren. Ihre Finger spürten gezackte Ränder.
Sam kauerte sich hin, lehnte den Rücken gegen die Wand und streckte die Arme schützend vor dem Kopf aus. Sie zitterte am ganzen Körper. Der Wind legte sich. Sams Lungen brannten, weil sie so lange die Luft angehalten hatte.
Angestrengt lauschte sie und wurde durch einen leisen Lufthauch belohnt, der ein paar Blätter zu Boden fegte. Sie war allein. Der Wind hatte nur trockenes Laub gegen Schultern und Nacken geblasen. Sie musste ihren eigenen Atem gehört haben. Sam fegte sich die Blätter von der Schulter und spürte die gezackten Ränder wieder. Mit zitternden Fingern schob sie das Pfefferspray in
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