Sumpfblüten
Schmerzen.
»Du rauschst noch auf ’ne Austernbank, und das hier ist nicht mein Boot«, sagte er.
»Schläft Fry?«
»Hörst du ihn nicht? Er schnarcht noch schlimmer als du.«
»Gemeinheit.«
»Langsamer, Honey. Ich sterbe schon nicht, ich versprech’s.«
Sie nahm ein wenig Fahrt weg. »Ich und meine beiden kranken Jungs. Du mit weggeschossener Hüfte und er mit ’ner Gehirnerschütterung. Vollidioten!«
»Siehst du die Markierungen der Fahrrinne?«, fragte Perry.
»Klar.«
»Denk dran, halt dich links von den roten und rechts von den grünen.«
»Das hab ich schon beim ersten Mal mitgekriegt, Käpt’n Ahab. Du blutest immer noch, nicht wahr?«
»Einen oder zwei Liter hab ich noch übrig. Ist dein Kiefer gebrochen?«
»Sieht schlimmer aus, als es ist.«
»Das bezweifle ich. War das Piejack?«
Honey nickte. »Mein eigener dämlicher Fehler. Ich hab versucht, auf Wonder Woman zu machen.«
»Sag mir mal, was zum Teufel du hier draußen gemacht hast -und keinen Quatsch mehr von wegen irgendeiner ›Ökotour‹.«
Also erzählte sie ihm alles, angefangen mit Boyd Shreaves Telemarketing-Anruf aus Texas. Er unterbrach sie nicht einmal.
Nachdem sie geendet hatte, sagte sie: »Perry, das ist alles meine Schuld, und es tut mir leid.«
»So richtig normal ist das nicht. Das weißt du ja.«
»Ich geh wieder zum Arzt. Ich versuch’s noch mal mit den Tabletten.«
»Das wird nichts bringen, Honey. So bist du nun mal. So warst du schon immer.«
»Bitte rede nicht so.« Doch sie wusste, dass er Recht hatte. »Kann ich dich was fragen – war das das erste Mal, dass du jemanden getötet hast?«
»Ist mindestens ein, zwei Wochen her.«
»Ich mein’s ernst, Perry! Ich hab noch nie jemanden sterben sehen- du?«
»Nicht so«, antwortete Skinner. »Nicht wie einer von ’ner gottverdammten Gitarre erschlagen wird.«
»Aber Fry hat das nicht mit angesehen, nicht wahr? Der Indianer hat auf ihm draufgelegen.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nichts gesehen hat.«
»Du hast ja keine Ahnung, wie leid mir das alles …«, setzte Honey an.
»Pass auf, wo du hinfährst.«
Der Flussarm öffnete sich zu einer breiten Wasserfläche, und sie erblickte flimmernde Lichter – Everglades City. Das musste einfach Everglades City sein.
Perry hob den Kopf. »Gut gemacht, Schatz. Wir sind fast zu Hause.«
Chokoloskee Bay. Sie dachte daran, wie sie zum ersten Mal bei Nacht hier gewesen war. Perry war mit ihr in seinem Krabbenboot hinausgefahren, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Sie hatten ein wenig Champagner getrunken, sich geliebt – das Wasser glasig in der Abenddämmerung und der Himmel wie Grenadine. Er hatte gefragt, ob sie sich sicher sei, dass sie bei ihm bleiben wollte. Hatte gesagt, er hätte vollstes Verständnis dafür, wenn sie es sich anders überlegen und nach Miami zurückkehren würde.
Das war zwei Tage vor ihrer Hochzeit gewesen.
Das hier ist allertiefste Pampa, hatte Perry sie gewarnt, da kommt nicht jeder mit klar. Besonders nicht mit den Mücken.
Honey hatte gesagt, sie hätte noch nie einen so friedlichen Ort gesehen, was fast 22 Jahre später noch immer der Wahrheit entsprach. Als sie verkündet hatte, sie wolle jede der Ten Thousand Islands sehen, hatte er versprochen, ihr jede einzelne zu zeigen. Ein Lagerfeuer machen und am Strand knutschen. Welche Frau hätte dazu nein sagen können?
Fry regte sich in den Armen seines Vaters. Bei dem Gedanken, dass beide ihretwegen beinahe ums Leben gekommen wären, überlief es Honey kalt.
»Perry, ich lege beim Rod and Gun Club an, okay?« Sie hatte es eilig, des vielen Blutes wegen.
»Hey, Perry?«
Der Kanal war gut markiert, also gab sie Gas und ließ das Boot über die Wasseroberfläche flitzen.
»Perry, bist du wach?«
Sie schoss die Mündung des Barron River hinauf, nahm Fahrt weg und – als hätte sie das schon tausendmal gemacht – ließ den Bug sanft gegen den Steg des alten Rod and Gun Club auslaufen.
»Perry!«
Nichts.
Fry setzte sich auf und rieb sich den Nacken. »Ich hab die gemeinsten Kopfschmerzen in der Geschichte der Menschheit.«
»Kannst du laufen?«
»Wieso, Mom?«
»Antworte einfach. Kannst du rennen?«
»Klar. Glaub schon.«
»Dann geh und hol Hilfe.« Honey half ihm auf den Steg hinauf.
Fry blickte auf seinen Vater hinunter, der im Boot lag. »Dad? Hey, Mann, wach auf!«
»Lauf los«, befahl seine Mutter. »So schnell du kannst.«
Einmal, nicht lange nach Frys Geburt, hatte Perry Skinner eine CD von den
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