Sumpfblüten
brauche Hilfe!«
Das Plattboot bewegte sich so behäbig, dass Shreave sich fragte, ob da ein mechanisches Problem bestand. Er sah keinen Rauch, als er den Lichtstrahl auf den Motor richtete, allerdings fielen ihm zwei Taue auf, die vom Heck straff zu einem unförmigen Gegenstand führten, der im Kielwasser nachschleppte. Shreave konnte nicht sehen, was der Fremde im Schlepp hatte, und es war ihm auch egal. Der Mann kannte sich in der Insellandschaft offenbar gut aus, und Shreave brauchte unbedingt jemanden, der ihm den Weg hier raus zeigte.
»Hey! Hier drüben!«, brüllte er abermals. »Sind Sie blind, verdammte Scheiße?«
Der Fremde versteifte sich, drehte sich um und blickte finster ins Licht. Shreave sog scharf den Atem ein.
Es war Genies Indianer. Der, der ihn ein verdammtes Dreckferkel genannt hatte und ihn auf dem Flammenbaum hatte sitzen lassen, damit er da verrotten sollte.
Die Antwort des Mannes war entschieden und eindeutig. Er nahm die Hand vom Steuerruder und hielt sie in die Höhe, genau in den Strahl der Stirnlampe, den Mittelfinger aufrecht Shreaves düsterer Betrachtung dargeboten.
Shreave machte die Lampe aus, sackte im Kanu in sich zusammen und wartete darauf, dass der Lärm des Motorboots verklang. Dann nahm er das Paddel, fluchte leise vor sich hin und machte sich erneut an die Arbeit.
Schwester Shirelle stand vorgebeugt da, die Hände gegen eine vom Sturm gefällte Kiefer gestemmt, als sie das Licht erblickte.
»Schau mal!«
Bruder Manuel war schwer beschäftigt – er hielt ihre Hüften gepackt und stieß von hinten zu, während er atemlos eine Gottheit beschwor. Seine Robe klaffte, und seine Brust war mit Schweißperlen bedeckt. Die anderen Stöhner waren sicher außer Hörweite; sie tanzten und wirbelten um die Feuergrube am Strand herum.
»Bruder Manuel, da ist ein Mann auf dem Wasser!«
Und in der Tat war dort ein Mann; bleich und geisterhaft watete er durch die Untiefen und zog ein Kanu in leuchtender Obstfarbe hinter sich her. Ein greller Lichtstrahl ging von der Stirn des Fremden aus.
»Helfen Sie mir!«, rief er.
Bruder Manuel machte einen Rückzieher aus Schwester Shirelle und verstaute in aller Eile seinen ruchlosen Stecken und Stab.
»Ist Er es?« Schwester Shirelle richtete sich auf und zerrte an ihrer Unterwäsche. »Ist das unser Erlöser, endlich heimgekehrt von Seiner himmlischen Reise?«
»Still, Kind«, flüsterte Bruder Manuel. »Fasse dich.«
Der Mann kam ans Ufer geplatscht und kippte das Wasser aus dem Kanu, nachdem er zuvor eine Segeltuchtasche herausgenommen hatte. Er war mit einem geblümten Hemd und einer erschreckend grünen, ungemein knappen Badehose bekleidet, auf der Schwester Shirelles Blicke wollüstig ruhten.
»Seid Ihr leidend?«, erkundigte sich Bruder Manuel.
»Ich frier mir die cojones ab«, sagte der Mann. »Für so ’n Bademantel würde ich glatt einen Mord begehen.«
»Wie ist Euer Name, Bruder?«
»Boyd.«
»Und wie lange wart Ihr auf See, Bruder Boyd?«
»Verdammt noch mal zu lange«, antwortete der Gefragte zähneklappernd.
»Wir haben auf Euch gewartet!«, rief Schwester Shirelle.
»Wirklich?«
»Sag es ihm, Bruder Manuel!«
Doch der selbsternannte Pastor der Ersten Maritimen Wiederauferstehungsgemeinde Gottes war skeptisch. Ungeachtet seiner Predigten hatte er niemals ernsthaft damit gerechnet, während eines Campingausflugs in den Everglades Christus dem Allmächtigen zu begegnen. Da er jedoch Schwester Shirelles spirituelle Inbrunst – die des Öfteren recht machtvoll überströmte – nicht dämpfen wollte, behielt Bruder Manuel seine Zweifel für sich.
»Wir haben treu ergeben auf ein Erscheinen gewartet«, räumte er dem Mann gegenüber ein, »oder auf irgendein Zeichen des Vaters.«
»Wisst ihr was? Ich will einfach nur nach Hause. Habt ihr ein Boot, Leute?«
»Die Hände! Siehe die Hände des Mannes!« Schwester Shirele begann, auf und ab zu hopsen, ihre beachtlichen, jeglicher Fesseln ledigen Brüste hüpften mit.
Voller Ungeduld richtete Bruder Boyd den Strahl der Stirnlampe auf seine schwammigen Handflächen, die durch seinen Sturz aus dem Baum zerschrammt und wund waren. Die Ähnlichkeit mit Stigmata entging ihm.
»Ich bin gefallen«, erklärte er.
Bruder Manuel nickte. »Wie wir alle. Kommt.«
Sie führten den Fremden am Ufer entlang zum Lagerfeuer, wo die anderen Stöhner in ihrem Tanz innehielten und sich stumm im Halbkreis scharten. Die Frauen musterten Bruder Boyds Badekostüm auf eine Art und
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