Sumpfblüten
noch zahmeren Exemplar zu tun haben sollte, zumindest hatte man ihm das gesagt.
Statistisch gesehen sind professionelle Ringkämpfe mit Alligatoren nur geringfügig gefährlicher als Tapezieren. Die niedrige Todesfallrate hat weniger mit dem Geschick der Ringer zu tun als vielmehr mit der erlernten Toleranz der Reptilien. Haben sie erst begriffen, dass es ein schon leicht angegammeltes totes Huhn als Belohnung gibt, lassen sich die Alligatoren geduldig in einer Sandgrube umherzerren und eine Reihe von albernen, unwürdigen Behandlungen über sich ergehen. Offenbar hängt der Erfolg dieser Vorführungen von einem bestimmten kritischen Lethargiegrad der Tiere ab. Ein frisch gefangener Alligator ist kein idealer Gegner; ungeschult und reizbar, kann selbst ein kleines Tier einem Menschen schwere Verletzungen zufügen und ihn möglicherweise zum Krüppel machen.
Bei Sammy Tigertails zweitem (und letztem) Auftritt hielten die Provinzringer es für ungemein witzig, ihm eine Fälschung unterzuschieben. Das Tier war zwei Meter lang und wog grob geschätzt 50 Kilo. Was noch entscheidender war, es hatte keinerlei Showerfahrung, da es erst am Vorabend aus der Lagune eines Golfplatzes gefischt worden war. Ahnungslos stieß Sammy Tigertail einen improvisierten Kriegsschrei aus und stürzte sich voller Begeisterung auf das Tier, das in einem zappelnden, zischenden Wutanfall explodierte. Die Menge fand das Schauspiel phantastisch.
Zerkratzt, herumgeschleudert und von Schwanzhieben getroffen, gelang es Sammy Tigertail irgendwie, den Zähnen des Sauriers zu entgehen. Als sie im Dreck herumkugelten, schaffte es der Indianer, beide Arme um den hin und her schlagenden Kopf seines Widersachers zu schlingen, woraufhin sie zusammen in den Betonteich rollten. Er war kaum anderthalb Meter tief, doch Sammy Tigertail wusste, dass Alligatoren schon Menschen in flacherem Wasser ertränkt hatten. Außerdem war ihm klar, dass das primitive Geschöpf in seinen Armen stundenlang die Luft anhalten konnte. Diese Tatsache plus die Erkenntnis, dass das Wasser in dem Teich wahrscheinlich von Alligatorscheiße durchseucht war, veranlasste Sammy Tigertail dazu, seine Umklammerung zu lösen und verzweifelt an die Oberfläche zu strampeln.
Als er aus dem gallefarbenen Wasser platschte, erhob sich das Publikum und applaudierte. Der Seminole verbeugte sich schüchtern, während der Ansager über Lautsprecher verkündete, dass der besiegte Leviathan untergetaucht bleiben würde, bis er aufhörte zu schmollen. 45 Minuten später kam der Alligator in der Tat an die Wasseroberfläche und trieb mit dem Bauch nach oben, eine Haltung, die auf etwas sehr viel Ernsteres schließen ließ als lediglich verletzten Stolz. Die Vorführung, wie man Klapperschlangen das Gift abzapfte, wurde sofort unterbrochen und Sammy Tigertail in die Ringkampfgrube zurückbeordert. Dort zog er unter einem vernichtenden Chor von Buhrufen und dem Klicken von Digitalkameras betroffen den schuppigen Kadaver aus dem Teich.
Eine Untersuchung ergab, dass Sammy Tigertail dem Alligator bei ihrem Unterwasserringkampf versehentlich das Genick gebrochen hatte, ein Missgeschick, für das dem Stamm von Staatsund Bundesbehörden saftige Bußgelder aufgebrummt werden würden. Von den zahlreichen Vorschriften zur Haltung und Zurschaustellung des Alligator mississippiensis wird keine so ernst genommen wie das Verbot, der Gattung Schaden zuzufügen. Kein Ringkämpfer in der Geschichte des Seminolenreservates hatte jemals während einer kostenpflichtigen Vorstellung einen Alligator getötet, und Sammy Tigertails Bitte um Milde stieß auf taube Ohren. Er wurde lebenslänglich aus der Alligatorengrube verbannt, und der Vorfall untermauerte die Ansicht des Stammes noch, dass er durch sein gemischtes Blut verflucht sei.
Sammy Tigertail zog es vor, Gillian nichts von dem toten Alligator zu erzählen, als er ihre Bitte ausschlug, sie im Ringkampf zu unterweisen.
»Ach, komm schon«, drängte sie. »Ich hab dir auch Gitarrespielen beigebracht.«
Tatsächlich hatte sie ihm die Akkorde eines Liedes gezeigt. »Tequila Sunrise« von den Eagles. Das war ein Lieblingslied seines verstorbenen Vaters gewesen.
Sammy Tigertail war dankbar, bis zu einem gewissen Grad. »Glaubst du etwa, alle Seminolen kämpfen mit Alligatoren? Das ist eine Beleidigung«, verwahrte er sich. »Das ist, als ob man sagt, alle Schwarzen könnten einen Basketball versenken.«
Das Thema war aufgekommen, weil sie entweder einen Alligator oder
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