Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
folgt, hat sie mich beschuldigt, sie als Lockvogel zu mißbrauchen. Alle Frauen, die ich kennenlerne, sind entweder nicht zu haben oder verrückt ... Na ja, ich versuche jedenfalls, Holtzner für dich zu finden.«
Eine Stunde später rief er zurück.
»Holtzner hat mich gerade gefeuert«, sagte er.
»Warum?«
»Ich hab ihn über sein Handy angerufen und gesagt, daß der Frankokanadier in der Stadt ist. Er hat einen Wutanfall gekriegt. Hat mich gefragt, warum ich den Kerl nicht geschnappt hätte, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Ich frage: ›Ihn schnappen? Ihn umnieten, oder was?‹
Er sagt: › Was, ein Ex-Cop, der aus dem Polizeidienst rausgeflogen ist, weil er einen Bundeszeugen umgebracht hat, hat Gewissensbisse?‹
Ich sage: ›Ja, genauso isses.‹
Er sagt: ›Dann stell dir den nächsten Gehaltsscheck gleich selbst aus, Nilpferdarsch.‹
Nilpferdarsch? Wieso habe ich mich nur mit diesen Kerlen eingelassen, Dave?«
Die Ex-Prostituierte namens Jessie Rideau, die behauptete, bei der Entführung von Jack Flynn dabeigewesen zu sein, rief am nächsten Tag Helen Soileau im Büro an. Helen ließ sie zu mir durchstellen.
»Kommen Sie und reden Sie mit uns, Miss Rideau«, sagte ich.
»Geben Sie nen Kaffee im Kittchen aus, oder was?« entgegnete sie.
»Wir wollen Harpo Scruggs hinter Gitter bringen. Helfen Sie uns, dann helfen wir Ihnen.«
»Hallo, wo hab ich das schon mal gehört?« Ich hörte ihren flachen Atem dicht an der Sprechmuschel. Es klang, als blase sie über eine Brandwunde. »Was is, wolln Sie gar nix sagen?«
»Wir können uns auch woanders treffen.«
»St.-Peter-Friedhof in zehn Minuten.«
»Wie erkenne ich Sie?« fragte ich.
»Ich bin die, die noch nicht tot ist«, sagte sie.
Ich parkte meinen Pickup hinter der Kathedrale und ging zum alten Friedhof hinüber, auf dem die Grabmaler aus Ziegelstein und Gips windschief aus der Erde ragten. Sie saß bei offener Tür hinter dem Steuer ihres rostigen Benzinschluckers, die Füße auf dem Randstein, den Kopf der Sonne zugewandt. Sie hatte kupferfarbenes krauses Haar und gebräunte Haut mit Sommersprossen, die sich wahllos wie matte Pennystücke über Gesicht und Hals verteilten. Ihre Schultern waren breit, die Brüste groß wie Wassermelonen unter ihrer Baumwollbluse, die Augen türkisblau und mit einem Ausdruck auf mich gerichtet, als habe sie jeden Widerstand gegen die Welt aufgegeben.
»Miss Rideau?«
Sie antwortete nicht. Ein Feuerwehrwagen fuhr vorbei, ohne daß sie den Blick von mir abgewandt hätte.
»Sagen Sie offiziell über Scruggs aus, daß es für eine Verhaftung ausreicht. Damit sind Sie Ihre Probleme los«, sagte ich.
»Ich brauche Geld, um in den Westen gehen zu können ... irgendwohin, wo er mich nicht findet«, antwortete sie.
»Feilschen is nicht. Wenn Sie Beweise gegen einen Verbrecher unterschlagen, machen Sie sich mitschuldig. Je gesessen, Miss Rideau?«
»Sie sind wirklich ein Charmeur.«
Ich sah auf die Uhr.
»Ich kann auch wieder gehen«, sagte ich.
»Harpo Scruggs bringt mich um. Ich habe diese Kassette all die Jahre für ihn verwahrt. Jetzt will er mich deshalb umbringen. Aber die Polizei interessiert das nicht.«
»Und weshalb will er gerade jetzt die Kassette wiederhaben?« fragte ich.
»Er und ich ... wir haben lange gemeinsam einen Puff betrieben. Vor vier Jahren habe ich erfahren, daß er Lavern Viator in Texas umgebracht hat. Lavern war das andere Mädchen, das in Morgan City dabei war, als sie den Mann mit Ketten geschlagen haben. Danach habe ich die Kassette an einen anderen Ort geschafft ... den er nicht kennt.«
»Jessie, versuchen wir mal bei der Wahrheit zu bleiben. Haben Sie die Kassette nicht vielmehr beiseite geschafft, weil Sie wußten, daß er jemanden damit erpreßt hat ... weil Sie dachten, sie könne wertvoll für Sie werden?«
Regentropfen fielen aus den Sonnenstrahlen. An der Innenseite von Jessie Rideaus Unterarmen waren Herzen und Würfel eintätowiert. Sie starrte auf die Grabmäler auf dem Friedhof, der Blick verschleiert und mit der Miene einer Frau, die sich klar darüber war, daß sie immer nur das Werkzeug anderer sein würde.
»Ich werd auch bald bei den Toten liegen«, sagte sie.
»Wo haben Sie gesessen?«
»Ein Jahr in St. John the Baptist. Und zwei Jahre in St. Gabriel.«
»Wir möchten Ihnen helfen.«
»Zu spät.« Sie zog die Wagentür zu und ließ den Motor an. Der Auspuff war verrostet, und Rauch qualmte in allen Richtungen unter der Karosserie hervor.
»Warum
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