Sumpffieber
hätte sie niemals etwas anderes getan: mit einem Wort wußte sie die Trinker zur Ruhe zu bringen, und ihre weißen Arme – immer in kurzen Ärmeln – zogen die Gäste von allen Ufern der Albufera herbei.
Im Gegensatz zu Neleta trat bei Cañamel nach der Hochzeit ein gewisser Verfall ein. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er nichts zu tun. Die Zeiten waren dem Schmuggel nicht günstig – die Überwachung der Küste lag jetzt in der Hand von jungen, diensteifrigen Zolloffizieren, die keine Konterbande duldeten –, und mit der Taverne fand sich Neleta besser ab als er selbst. So hielt Cañamel die Zeit für gekommen, krank zu werden, was, wie Paloma versicherte, eine Zerstreuung für Reiche ist.
Der Alte wußte besser als irgend jemand anders, wo das Übel des Schankwirts steckte.
»Die Bestie der Verliebtheit, die jahrelang, solange er nur an Geldverdienen dachte, schlief, ist jetzt bei Cañamel erwacht!«
Und wirklich stand er weiter so in Neletas Bann wie früher, als sie bei ihm diente. Der Glanz ihrer grünen Augen, ein Lächeln, die Berührung ihrer Arme beim Gläserfüllen am Schanktisch genügte, damit er den Kopf verlor. Nur gab es jetzt keine Schrammen mehr für Cañamel, und die Gäste nahmen keinen Anstoß daran, wenn beide die Theke verließen.
Doch Cañamel beklagte sich über seltsame Beschwerden, während Neleta von Tag zu Tag kräftiger, frischer, blühender wurde, gerade, als fiele das langsam zergehende Leben des Mannes über sie wie ein stärkender Regen. »Die Rasse der Cañamels«, kommentierte Paloma diesen Zustand mit komischem Ernst, »wird sich derart vermehren, daß sie ganz Palmar füllt!« Indessen vergingen die Jahre, ohne daß Neleta Mutter wurde, ungeachtet ihres inbrünstigen Sehnens. Sie wünschte sich ein Kind, um ihre geschickt eroberte Position zu sichern und dadurch den erbschaftslüsternen Verwandten der ersten Frau »eins in die Schnauze zu geben«. Jedes halbe Jahr machte im Dorf die Neuigkeit die Runde, daß sie guter Hoffnung wäre – ein Grund für alle Frauen, bei ihren Einkäufen in der Taverne die junge Frau mit inquisitorischer Gründlichkeit zu prüfen; wußten sie doch die Bedeutung eines solchen Ereignisses in dem Kampf der schönen Wirtin mit ihren Widersacherinnen vollauf zu würdigen. Aber jedesmal zerrann die Hoffnung. Die schlimmsten Gerüchte züngelten bei solcher Gelegenheit auf. Samaruca und ihr Anhang raunten von dem einen oder anderen Reisplantagenbesitzer, der sich von der Besichtigung seiner Felder in dem Wirtshaus ausruhte; von irgendeinem Jäger aus Valencia; ja, sogar von dem Leutnant der Zollwächter, weil dieser bisweilen, der Einsamkeit in Torre Nueva überdrüssig, sein Pferd vor Cañamels Taverne anband. An alle dachte man, nur nicht an den mehr als je von unersättlicher Leidenschaft beherrschten, kränklichen Schankwirt. Neleta lächelte über diese Redereien. Sicherlich, sie liebte ihren Gatten nicht, und manch einer von den Gästen wäre ihr lieber gewesen; aber sie besaß die Klugheit der egoistischen, mit Überlegung handelnden Frau, die die Ruhe einer aus Eigennutz geschlossenen Ehe nicht für Treulosigkeiten aufs Spiel setzt.
Eines Tages kam die Kunde, daß sich Tonet in Valencia befände. Der kubanische Krieg war beendigt; die Bataillone wurden, ohne Waffen, mit dem traurigen, niedergeschlagenen Ausdruck einer kranken Herde in denHäfen ausgeschifft. Hungergestalten, Fieberschatten – gelb wie jene Kerzen, die man nur bei Trauerfeiern verwendet –, denen jedoch gleich einem Stern auf dem Grunde eines Brunnens der Wille zu leben in den hohlen Augen blitzte. Sie kehrten heim, untauglich zur Arbeit, fast alle verurteilt, noch vor Ablauf eines Jahres im Schoße ihrer Familien zu sterben, die einen Mann gegeben hatten und einen Schemen zurückerhielten.
Tonet wurde in Palmar mit begeisterter Neugierde aufgenommen. Er war der einzige aus dem Dorf, der wiederkehrte. Und wie er wiederkehrte!... Vollkommen ausgemergelt durch die letzten Kriegswochen, denn er gehörte zu denen, die die Blockade von Santiago aushalten mußten. Aber abgesehen davon, schien er noch ziemlich robust zu sein, und die alten Basen bewunderten neben seiner schlanken Taille die martialische Haltung, die er am Fuß des rachitischen Olivenbaums auf dem Marktplatz anzunehmen wußte, wo er, den Schnurrbart zwirbelnd, seine große Sammlung der feinsten Panamahüte zur Schau stellte – das einzige Hab und Gut, das er aus dem Kriege heimbrachte. Und allabendlich
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