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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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leben, um ohne Furcht vor Strafe töten und alles, was er sieht, als sein eigen betrachten zu können – überall und allem seinen Willen auferlegend unter dem Schutz der harten Forderungen des Kriegs.
    Dann und wann fragte auch Neleta nach dem Ergehen ihres Verlobten. Ihre Mutter war gestorben. Sie lebte jetzt bei einer ihrer Tanten, verdiente sich aber ihr Brot in Cañamels Taverne, wo sie an den Tagen aushalf, an denender Wirt bevorzugte Gäste erwartete und viele Schüsseln Reis à la Valencia zubereitet werden mußten.
    Wenn sie sich in der Hütte der Palomas einfand, hörte sie mit niedergeschlagenen Augen Borda zu, die ihr Tonets letzten Brief vorlas. Ihre Neigung für ihn schien erkaltet zu sein, seit er ohne ein Wort des Abschieds fortgefahren war. Sandte der Korporal ihr am Ende seines Briefes einen Gruß, so murmelte sie lächelnd ein »Grasies!«; aber weder äußerte sie jemals den Wunsch, daß er bald heimkommen möge, noch begeisterte sie sich für seine Luftschlösser: »ich werde wohl mit den Offiziersgalons nach Palmar zurückkehren ...
    Neletas Gedanken kreisten um andere Dinge. Sie war das schönste Mädchen weit und breit geworden; zierlich, mit einer hellblonden Haarmähne, die auf ihrem Köpfchen eine Krone aus verblichenem Altgold bildete, und einer durchsichtig weißen, von feinen Äderchen durchzogenen Haut, wie man sie nie bei Frauen von Palmar gesehen, deren schuppige, metallisch glänzende Epidermis eine entfernte Ähnlichkeit mit den Seeschleien besaß. Die Augen waren hellgrün, schimmernd wie zwei Tropfen des Absinths, den die Jäger von Valencia tranken.
    Immer häufiger fand sie sich in Cañamels Hause ein, nicht mehr, um nur bei besonderen Gelegenheiten Hilfe zu leisten. Allmählich putzte und scheuerte sie dort den ganzen Tag, servierte hinter der Theke und beaufsichtigte am Herd die britzelnden Pfannen. Bei Anbruch der Nacht aber ging sie, von ihrer Tante abgeholt, zu deren Hütte – möglichst auffällig für die feindselige Verwandtschaft Cañamels, die schon zu tuscheln begann, ob Neleta wohl die Sonne an der Seite ihres Herrn aufgehen sähe.
    Cañamel konnte nicht mehr ohne sie auskommen. Dieser Witwer, der bisher ruhig mit seinen alten Mägden gelebt und ständig seine Mißachtung der Frauen ausposaunt hatte, war unfähig, dem Liebreiz dieses Geschöpfes zu widerstehen, das ihn mit katzenartiger Anmut umstreifte. Den armen Cañamel verwirrten die grünen Augen dieses Kätzchens, dessen Geschicklichkeit immer wieder einen Anlaß herbeizuführen verstand, der ihn ihre verborgenen Reize ahnen ließ. Und Blicke wie Worte wiegelten in dem überreifen Schankwirt die Keuschheit mehrerer Jahre auf.
    Den Kunden entgingen nicht die gelegentlichen Schrammen und blauen Flecke auf seinem Gesicht, und sie lachten über die konfusen Erklärungen, die er vorbrachte. Bisweilen polterten auch die Möbel in den Privatzimmern,oder ein wütender Stoß erschütterte die dünnen Zwischenwände ... »Wetten, daß er mit einem neuen Kratzer zum Vorschein kommt?«
    Dieser Kampf mußte ein Ende nehmen. Neleta wußte zu gut, was sie wollte, um nicht über diesen Schmerbauch zu triumphieren, der bei ihrer Drohung, nicht mehr in die Taverne zu kommen, zitterte. Und trotzdem man damit gerechnet hatte, brachte die Ankündigung von Cañamels Heirat Palmar in Aufregung. Seine Schwägerin ging, grobe Beschimpfungen ausspeiend, von Tür zu Tür, und überall standen die Frauen in Grüppchen beisammen. »Diese Scheinheilige! Wie listig sie zu Werke gegangen ist, um den reichsten Mann der Gegend zu fischen!«
    Als Neleta durch ihre Heirat rechtmäßige Herrin der Taverne geworden war, zeigte sie weder Hoffart, noch suchte sie sich an den Gevatterinnen zu rächen, die sie während der Zeit ihrer Dienstbarkeit verleumdet hatten. Alle behandelte sie freundlich; nur errichtete sie die Barriere des Schanktisches zwischen sich und den Besucherinnen, um Vertraulichkeiten zu verhindern. Die Hütte der Palomas betrat sie nicht mehr. Kaufte Borda etwas bei ihr ein, so sprach sie zu ihr wie zu einer Schwester, und dem alten Paloma schenkte sie den Wein in einem extra großen Glase, wobei sie sich den Anschein gab, als vergäße sie seine kleinen Zechschulden. Toni kam überhaupt nicht mehr zur Taverne; aber wenn sich ihre Wege kreuzten, grüßte sie den in seine Gedanken versunkenen Mann mit dem Respekt einer Tochter, die ihren Vater heimlich verehrt, trotzdem er sie nicht anerkennen will. Ihre Taverne leitete sie, als

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