Sumpffieber
drängten sich in Cañamels Taverne die Leute, um seine Erzählungen von da unten zu hören.
Er prahlte nicht mehr mit seinen Bravourstückchen als Guerrillero, sondern sprach nur noch von den Yankees in Santiago de Cuba, sehr langen, sehr handfesten Kerlen, die enorme Portionen Fleisch aßen und Filzhüte trugen. Darauf beschränkte sich seine Beschreibung. Die riesige Statur der Feinde war der einzige in seiner Erinnerung haftengebliebene Eindruck. Und lautes Gelächter ertönte, als Tonet erzählte, wie ihm aus Mitleid über seine Lumpen einer dieser Giganten auf dem Wege zur Einschiffung eine Hose geschenkt hatte; eine Hose, so groß, daß sie wie ein Segel um ihn herumflatterte. Neleta, hinter der Theke, blickte ihn derweile unverwandt an. Ihre grünen Augen waren ausdruckslos; kein Fünkchen flammte in ihnen auf, doch sie trennten sich nicht einen Augenblick von Tonet, als wollten sie das Bild dieser kriegerischen Gestalt in sich aufsaugen, so verschieden von allen anderen um sie herum und in nichts an den Jungen erinnernd, der vor zehn Jahren ihr Verlobter gewesen war.
Cañamel aber lud in einem Anfall von Patriotismus – zudem begeistert über den außerordentlichen Zulauf von Gästen, den Tonet ihm verschaffte – den heimgekehrten Krieger zu einem Glas nach dem andern ein.
Auf Schritt und Tritt gab Sangonera, der jetzt zu seinem Kindheitsgefährten bewundernd aufschaute, Tonet das Geleit. Sangonera war nicht mehrSakristan. Der Hang des Vaters zum Wein und Landstreichertum wurde auch in dem Sohn übermächtig, und der Vikar, der unziemlichen Schnurren müde, die sein Diener verübte, wenn er im angesäuselten Zustand bei der Messe amtierte, hatte ihn aus der Kirche gejagt. Übrigens wichen, wie Sangonera unter dem Lachen aller ernsthaft versicherte, seine Ansichten auch zu sehr von denen des Pfarrers ab!
In voller Jugend durch ständigen Trunk gealtert, verlumpt und schmutzig, überließ er sich wie als Kind ganz dem Zufall, schlief wieder in seiner Hütte und zeigte überall, wo man trank, seine hagere Asketenfigur, deren Schatten nur als schmaler Strich auf den Boden fiel.
Tonets Protektion brachte ihm Nutzen. Sangonera war es, der als erster in der Taverne von Kuba erzählt haben wollte – wohl wissend, daß sich gleich nachher die Gläser füllen würden.
Dem einstigen Korporal sagte dieses Leben des Müßiggangs und des Angestauntwerdens nicht wenig zu. Palmar dünkte ihn ein Ort der Wonne, wenn er sich an die Nächte erinnerte, die er, den Magen von Hunger geschwächt, in den Laufgräben verbracht hatte, und an die beschwerliche Überfahrt in dem mit krankem Fleisch beladenen Schiff, das Leichen über das Meer aussäte. Nach einem Monat dieser köstlichen Existenz hielt sein Vater es für richtig, mit ihm in der stillen Hütte ernsthaft zu reden.
»Es ist Zeit, an deine Zukunft zu denken. Ich habe etwas vor, wobei ich dich, meinen einzigen Sohn, gern beteiligt sehen möchte. Die Señora in Valencia, deren Reisfelder in Saler ich so lange in Pacht hatte, hat mir ein großes Terrain am See geschenkt, Hanegas [Flächenmaß. 1 Hanega = 400 Quadratklafter.] und Hanegas ... Der einzige Mißstand ist, daß der ganze Boden unter Wasser steht und viele Bootsladungen Erde aufgeschüttet werden müssen.
Aber, zum Teufel, nur nicht verzagen! Auf dieselbe Art und Weise sind alle Felder der Albufera geschaffen worden – die besten Reispflanzungen von heute deckte vor fünfzig Jahren der See. Und zwei gesunde, energische Männer ohne Angst vor Arbeit können Wunder verrichten. Besser so, als auf unseren schlechten Plätzen fischen oder fremden Boden bebauen!«
Das Neue dieses Unternehmens war es, das Tonet reizte. Auf einen Vorschlag, die besten Felder in nächster Nähe Palmars zu bewirtschaften, würde er vielleicht mit einer Grimasse geantwortet haben. Aber die Idee gefiel ihm:den See zu bekämpfen, Wasser in Ackerland zu verwandeln, dort zu ernten, wo sich jetzt die Aale zwischen Sumpfpflanzen hin und her schlängelten. Überdies sah er in seinem leichtfertigen Denken nur die Resultate, ohne die gewaltige Arbeit in Betracht zu ziehen. Und im Geiste verpachtete er schon seine eigenen Reisfelder, um sich als reicher Mann dem Nichtstun hinzugeben. Vater und Sohn machten sich ans Werk, unterstützt von Borda, die stets den besten Willen zeigte für alles, was zum Wohlergehen der Familie beitrug. Mit dem Großvater durfte man nicht rechnen. Dieser neue Plan hatte ihn in die gleiche finstere Stimmung
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