Sumpffieber
kräftigen Schlägen, die von Seiten der dankbaren Armen auf seine Schulter hagelten.
Entmutigt schloß der Obmann seine Bücher. Es war immer dasselbe! Mit diesen Alten, die ewig jung blieben, konnte man keine Ordnung in die Genossenschaft bringen. Und mürrisch legte er den Lederbeutel mit den Losen auf den Tisch.
»Ich erbitte das Wort!« klang es von der Tür.
Die Nächststehenden machten Platz, und allgemeines Grinsen begrüßte das Auftreten Sangoneras, der sich bemühte, eine der Zeremonie würdige Haltung anzunehmen.
»Was willst du?« fragte ihn kurz der Schöffe, dessen üble Laune durch das Erscheinen des Vagabunden noch erhöht wurde.
»Was ich will? ... Nur wissen, warum mein Name nicht in jedem Jahr auf der Ziehungsliste steht. Bin ich nicht in Palmar geboren? Stamme ich nicht von Fischern ab?«
Die Anmaßung dieses Tunichtguts war unerhört.
»Habt ihr, dein liederlicher Vater und du, ein einziges Mal in eurem Leben ein Netz angerührt?« schnaubte der wütende Obmann. »Hat einer von euchje einen Centavo Beitrag gezahlt? ... Die Marke der Sangonera, ehrenhafter Fischer anderer Zeiten, ist seit vielen Jahren in unsern Büchern gelöscht. Also 'raus mit dir, du Faulenzer!«
Gezwickt und gestoßen wurde Sangonera unter Trampeln und Johlen der jüngeren Fischer zur Tür zurückbefördert.
Über dieses unziemliche Verhalten entrüstet, sprang der Vikar auf.
»Was bedeutet das? Wo bleibt der Respekt vor euren Obern?« Kampfbereit beugte er den Oberkörper vorwärts. »Soll ich mal herunterkommen und dem ersten besten das Maul stopfen?«
Augenblicklich herrschte Ruhe. Voll Stolz auf seine Macht setzte sich Don Miguel wieder auf seinen Stuhl, wobei er seinem Nachbarn, dem Leutnant der Zollwächter, zuflüsterte:
»Sehen Sie? Mit dieser Herde würde keiner so gut fertig werden wie ich. Man muß ihr nur dann und wann das Ende vom Hirtenstab zeigen.«
Aber noch wirksamer als des Vikars Drohung war die Bewegung des Präsidenten gewesen, der von dem Obmann eine Liste in Empfang nahm, um festzustellen, ob sämtliche Mitglieder sich eingefunden hatten. Sie enthielt die Namen aller Fischer Palmars, ganz gleich, ob jemand das Gewerbe selbständig ausübte oder seinem Vater half – es genügte, volljährig zu sein.
Der Präsident verlas die Namen, und jeder Fischer antwortete: »Ave Maria Purisima« – in salbungsvollem Ton wegen der Gegenwart des Pfarrers. Einige jedoch, Widersacher von Don Miguel, begnügten sich mit einem »Weiter« und freuten sich über sein ärgerliches Gesicht.
Dann entleerte der Obmann den schmutzigen Ledersack – fast so alt wie die Genossenschaft selbst. Über den Tisch rollten die Lose, hohle Kugeln aus schwarzem Holz, mit einem Loch versehen, in das ein Zettelchen mit dem Namen gesteckt wurde.
Einer nach dem anderen traten die Fischer vor, um ihre Kugel und ein Papierchen in Empfang zu nehmen, auf das man klugerweise schon den Namen des Betreffenden notiert hatte.
Ah, zu welch listigen Vorsichtsmaßregeln ließ der Argwohn diese armen Menschen greifen! ... Wer nicht lesen konnte, befragte einen befreundeten Schriftgelehrten, ob der Name auf dem Zettel auch stimmte, war jedoch erst nach mehreren Konsultationen überzeugt. Und nun kam der große Trick: sie stellten sich mit dem Gesicht zur Wand und klemmten mit dem Papierröllchen noch heimlich ein Strohhalmstückchen, ein schmales StreifchenPappe oder sonst ein Erkennungsmerkmal in die Kugel hinein, das irgendeine Manipulation mit dem Lose verhüten sollte. Doch die Besorgnis wich erst, wenn die Kugel in den Ledersack versenkt worden war – dieser aus Valencia gekommene Señor rief in ihnen das ganze Mißtrauen wach, mit dem die ländliche Bevölkerung einem Beamten des Staates stets begegnet. Der feierliche Akt begann. Don Miguel zog sein Käppchen, welchem Beispiel sämtliche Fischer folgten. Dann sprach er, wie es die Sitte erheischte, ein »Salve Regina«. Das brachte Glück, und während einer guten Weile murmelten die Fischer, die Mütze in der Hand, das Gebet an die Himmelskönigin nach.
Totenstille! Der Präsident schüttelte den Ledersack so kräftig, daß das Klappern der Kugeln in dieser Stille wie ferner Hagelschlag klang. Von Arm zu Arm, über die Köpfe hinweggereicht, gelangte ein Kind zur Estrade und tauchte seinen Arm in den Beutel. Bebende Erwartung. Aller Augen hingen starr an der schwarzen Kugel, aus der der Beamte langsam das Papierröllchen hervorzog.
Er verlas den Namen, und sekundenlang konnte
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