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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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wiegte.

 7.
    D almars großes Fest nahte, das Fest zu Ehren des Jesuskindes. Es war Dezember. Über die Albufera pfiff ein eisiger Wind, der die klammen Hände der Fischer an die Ruderstangen anpichte. Die Männer trugen bis über die Ohren heruntergezogene wollene Mützen und trennten sich nicht mehr von ihrem gelben Ölzeug, das beim Gehen wie steifgestärkte Unterröcke knitterte. Die Frauen verließen überhaupt kaum die Hütte; das ganze Familienleben spielte sich am Herdfeuer ab, von dem man sich in einer Luft, dick und muffig wie die der Eskimohütten, ergeben räuchern ließ.
    Das Niveau der Albufera stieg und stieg. Die winterlichen Regenfälle brachten so erhebliche Zuflüsse, daß von den überschwemmten Feldern und Dämmen nur hier und da die Spitzen versunkener Pflanzen herausguckten. Isoliert liegende Hütten, die früher auf festem Boden gestanden hatten,trieben jetzt scheinbar auf dem Wasser, und die Boote legten an der Haustür selbst an.
    Von dem Sumpfboden Palmars stieg eine grausame, unerträgliche Kälte empor, und die Gevatterinnen im Dorf beteuerten, noch niemals einen derartig harten Winter erlebt zu haben. Die diebischen Sperlinge fielen erstarrt von den Strohdächern, mit einem kleinen Piepen, traurig wie das Wimmern eines Säuglings. Voller Erbarmen mit der Not der Armut stellten sich die Flurhüter, als ob sie das Heer von Kindern, das täglich in den Wald einfiel, um dürres Holz zu sammeln, nicht bemerkten.
    Cañamels Stammgäste saßen auf niedrigen Schemeln um den Ofen herum, aus dessen Nähe sie sich nur entfernten, wenn die Gläser am Schanktisch neu gefüllt werden mußten.
    Palmar schien erstarrt, in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein. Keine Menschen auf der Straße, keine Barken auf dem See! Höchstens sah man am Vormittag vereinzelte Männer, deren vielfach mit Lappen umwickelte Füße zu unförmigen Kolossen geworden waren, die nächtlicherweile ins Netz gegangenen Fische sammeln. Den Boden der Boote bedeckte als Schutz gegen die Kälte noch eine dicke Lage Reisstroh.
    Oft schwammen bei Tagesgrauen – ähnlich erblindeten Spiegeln – breite Eisplatten im Kanal.
    Alle fühlten sich von der grimmigen Kälte bezwungen. Sie waren Kinder der Wärme und gewöhnt, den See unter der glühenden Zärtlichkeit der Sonne sieden und die Felder ihren verderblichen Hauch verdampfen zu sehen. Nicht einmal die Aale wollten, wie Paloma erklärte, in solchem Hundewetter die Mäuler aus dem Schlamm herausstrecken. Und um die Lage noch zu verschlimmern, fielen häufig wahre Sturzregen, als deren Folge die Kanäle übertraten. Ein grauer Himmel hüllte die Albufera in eine Wolke von Traurigkeit, und die durch die Nebelschwaden ziehenden Barken mit ihren regungslosen, im Stroh vergrabenen Männern hätte man für Särge halten können. Doch als das Fest des Jesuskindes bevorstand, lebte Palmar wieder auf. Wie alle Jahre mußte man sich belustigen – mochte der See auch gefrieren, bis man auf ihm gehen konnte, wie solches in anderen Ländern vorkommen sollte! Mehr noch als die Vergnügungssucht trieb sie der Wunsch, durch laute Freude ihre alten Rivalen, die Fischer von Catarroja, zu ärgern, die sich über die Winzigkeit des Jesuskindes von Palmar lustig machten. Verstiegen sich diese Feinde ohne Glauben und Gewissen doch sogar zu der Behauptung,daß die von Palmar ihren himmlischen Schutzpatron in den Kanal tunkten, wenn der Fischfang schlecht ausfiel! ...
    Ganz Palmar traf seine Vorbereitungen. Die Frauen fuhren, die Kälte mißachtend, über den See zum Weihnachtsmarkt nach Valencia, bei ihrer Rückkehr schon am Kanal von einer Herde ungeduldiger Kinder in Empfang genommen, die nicht den Moment erwarten konnten, daß sie ihre Pferdchen aus Pappe, Blechsäbel, Trommeln und Trompeten in die Hand bekamen. Die Festlichkeiten dauerten stets drei Tage, und Neleta gedachte, sich in diesem Jahre mehr als je zu amüsieren. Ihr Glück war vollkommen – hinter dem Schanktisch der Taverne vermeinte sie, in einem ewigen Frühling zu leben.
    Wenn sie bei den Mahlzeiten auf der einen Seite Cañamel, auf der anderen den Kubaner neben sich sah, beide gleich ihr, ruhig und sorglos, so pries sie Gottes Güte, die den guten Menschen gewährt, glücklich zu sein. Was hätte sie sich noch wünschen können? ... Sie war die reichste und schmuckste Frau im Dorf, ihr Ehemann zufrieden und Tonet von Tag zu Tag verliebter. Und sie zweifelte, ob die großen Señoras, die sie in Valencia von weitem erblickt hatte, so

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