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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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Carajo! Solch einen Mann schlägt man nicht, auch wenn er zur Familie gehört ... Außerdem jagte ihm die Drohung, sich nach anderen Partnern umsehen zu wollen, einen nicht gelinden Schreck ein. So verschanzte er sich hinter die Moral.
    »Ich gab dir kein Geld, weil ich deinen Charakter kenne – Geld in den Händen junger Leute ist ihr Verderb. Du würdest es entweder vertrinken oder mit den Taugenichtsen verspielen, die in den Spelunken von Saler ihre Zeit bei den Karten vergeuden. Wenn ich es für dich aufbewahre, erweise ich dir damit einen großen Dienst. Wer anders als du wird denn nach meinem Tode alles erben? ...«
    Doch Tonet ließ sich nicht durch Hoffnungen erweichen. Und nach drei Tagen hartnäckigen Handelns mußte sich der Greis eines Abends dazu bequemen, mit schmerzlicher Miene einen von Duros prallen Beutel aus seinem Gürtel hervorzuholen.
    »Nimm, du Jude! ... Du schlechter Kerl! ... Ist es durchgebracht, so hol dir mehr. Nur keine Skrupel, und wenn du deinen Großvater ins Grab ärgern solltest! Mein Los kenne ich jetzt: als alter Mann wie ein Sklave arbeiten, damit der Señor gute Tage hat!«
    Nach diesem Auftritt schien auch das letzte Fünkchen Zuneigung für den Enkel ausgelöscht.
    Als der Kubaner Geld in seiner Tasche fühlte, kehrte er nicht mehr in die Hütte seines Vaters zurück. Mit Jagen wollte er sich die Langeweile vertreiben, wollte ein Leben führen, bei dem die Büchse für den Unterhalt sorgte. Er begann es mit dem Kauf einer guten Flinte, da die ehrwürdigen Schießeisen zu Hause ihm nicht zusagten. Und dann verband er sich mit Sangonera, den man ebenfalls aus Cañamels Taverne verbannt hatte.
    Der Vagabund war ein tüchtiger Kumpan, der von Nutzen sein konnte. Zudem besaß er ein Unterkommen, das – zwar schlimmer als eine Hundehütte – bei schlechtem Wetter als Zufluchtsort immerhin in Frage kam.
    »Ich bin der Jäger, du bist der Hund!« machte Tonet aus. »Alles gehört uns gemeinsam: Essen und Wein. Ist es dir recht?«
    Sangonera zeigte sich hocherfreut. Auch er würde zum Unterhalt beisteuern. Er wußte mit geschickter Hand die Reusen zu leeren und sie wieder hübsch ordentlich an Ort und Stelle auszulegen, nicht wie die gewissenlosen Langfinger, die nicht allein – wie es Palmars Fischer ausdrückten – die Seele stahlen, sondern auch noch den Körper mitgehen hießen; mit anderen Worten: den Fisch und das Netz. Tonet würde für Fleisch und er für Fisch sorgen. Abgemacht!
    Wochenlang führten beide in der Dehesa ein primitives Dasein, wie es ganz Tonets Neigungen entsprach, der während seiner friedlichen Lebensweise in Palmar oft nicht ohne Melancholie an seine Kriegsjahre auf Kuba zurückgedacht hatte, an die unbegrenzte und gefahrvolle Freiheit des Guerrillakriegers, der – beständig den Tod vor Augen – weder Hindernisse noch Schranken kennt und mit dem Karabiner in der Hand seine Wünsche erfüllt, ohne irgendein Gesetz gelten zu lassen.
    In einem versteckten Winkel des Waldes bauten sie sich eine Laubhütte. Meldete sich der Hunger, so erlegten sie ein paar Kaninchen oder wilde Tauben; fehlte es ihnen an Geld für Wein und Patronen, so machte Tonet mit der Flinte einen Rundgang und brachte an einem Vormittag so viel Wildbret zusammen, daß Sangonera Mühe hatte, es zum Verkauf nach Saleroder Catarroja zu schleppen, von wo er mit vollem Weinschlauch zurückkam. Die Schüsse aus Tonets Flinte, die unverschämt in der ganzen Dehesa knallten, waren eine stete Herausforderung gegen die Flurhüter, deren stillem Einsiedlerleben sie ein Ende bereiteten.
    Doch während Tonet jagte, lag Sangonera wie ein Hund auf der Lauer, und sobald er die Feinde nahen sah, mahnte ein leiser Pfiff den Kameraden, sich zu verstecken. Desungeachtet stieß der Enkel des alten Paloma verschiedentlich direkt mit der Nase auf seine Verfolger, denen er bei solcher Gelegenheit energisch seinen Willen kundtat, in der Dehesa zu bleiben. Eines Tages schoß ein Flurhüter auf ihn, aber Sekunden später hörte der Mann als drohende Antwort eine Kugel an seinem Kopf vorbeipfeifen. Verlorene Mühe, den alten Guerrillero einschüchtern zu wollen! Weder Gott noch Teufel fürchtete dieser Taugenichts! Er schoß ebenso gut wie sein Großvater, und wenn die Kugel, die so dicht am Gegner vorbeiflog, ihn nicht traf, so lag das einzig und allein daran, daß sie als Warnung gemeint war. Und die Flurhüter, von denen jeder für eine zahlreiche Familie sorgte, kamen schließlich mit dem frechen Wilderer zu

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