Sumpffieber
Liebschaft, die perverse Lust, seine Geliebte in Gegenwart ihres Gatten und der Gäste zu liebkosen – auf die Gefahr hin, dabei ertappt zu werden.
Aus Cañamels Hause verjagt, wußte er nicht, wohin er gehen sollte. Wohl versuchte er, in den anderen Kneipen von Palmar heimisch zu werden, erbärmlichen Hütten mit weiter nichts als einem armseligen Fäßchen, wo nur Leute verkehrten, die wegen zu großer Rückstände Cañamels Tavernemeiden mußten. Aber sehr rasch flüsterte er von diesen Stätten wie ein Nabob, der sich durch Zufall in eine Kaschemme verirrt hat.
So strich er zwecklos in der Umgebung des Dorfes herum, ging nach Saler, Perello, dem Hafen von Catarroja – irgendwohin, um die Zeit totzuschlagen. Ja, dieser Faulpelz stakte stundenlang über den See, ohne ein anderes Vorhaben, als mit einem Bekannten eine Zigarre zu rauchen.
Die Langeweile brachte ihn so weit, daß er sein Leben änderte.
War es nicht besser, dem Vater zu helfen, statt wie ein wildes Tier im Käfig ruhelos von einem Ende der Albufera zum anderen zu schweifen? ... Und vom nächsten Tage ab machte er sich mit dem vorübergehenden Schwung der Trägen daran, Schlamm aus den Kanälen herauszuholen.
Toni wußte seinem Sohne Dank für diese Besserung. Sein Blick wurde heller, und er fand ein paar freundliche Worte.
»Alles ist so gekommen, wie ich es dir voraussagte. Du hast dich nicht wie ein Paloma benommen, und es war sehr bitter für mich, hören zu müssen, daß du auf Kosten des Schankwirts lebtest und obendrein noch seine Frau verführtest ...«
Wieder legte Tonet Verwahrung ein: »Das letzte ist eine Verleumdung!«
»Um so besser! Ich freue mich jedenfalls, daß die Sache hinter dir liegt. Jetzt heißt es: arbeiten und ehrenhaft sein! Wenn meine Lagune sich in Felder verwandelt und man sieht, daß die Palomas Säcke und Säcke Reis ernten, kannst du dir unter allen Mädchen am See eine Frau aussuchen, denn einem Reichen sagt man nicht nein!«
Angefeuert durch diese Worte, warf sich Tonet mit wahrer Wut auf die Arbeit, so daß die arme Borda es bei ihm schwerer hatte als bei seinem Vater. Das Mädchen keuchte unter der Last der gewichtigen Körbe, krümmte sich bei der sauren Arbeit, ihren vollbeladenen Kahn über den See zu staken – für Tonet schaffte sie nie genug! Trotzdem zeigte sie frohe Augen, und wenn sie abends mit lahmen Gliedern das Essen zubereitete, blickte sie dankbar nach diesem verlorenen Sohn, dank dessen Umkehr das Gesicht des Vaters allmählich den gequälten Ausdruck verlor.
Aber der Wille des Kubaners erlahmte. Nach einem Monat ständiger Arbeit hatte er sie satt. Wohl war der größte Teil der Lagune schon aufgefüllt; es blieben jedoch tiefe Löcher, die ihn zur Verzweiflung brachten – unverstopfbare Trichter, in die das weggedrängte Wasser zurückzuströmen schien, um langsam und stetig an der Erde ringsum zu nagen. Überdieswiderte ihn, den an die Leckerbissen in Cañamels Hause Gewöhnten, die magere Küche Bordas an, mit der sein Vater sich zufrieden gab.
Und dann der Großvater! War es nicht empörend, wie er bei Cañamel ein- und ausging, als sei nichts passiert? ... Dort aß er zu Mittag, dort aß er zu Abend und schien sich vortrefflich mit dem Dicken zu verstehen. Für den Enkel hatte er, wenn sie sich abends in der Hütte zu Gesicht bekamen, keinen Gruß, geschweige denn ein freundliches Wort. Und solch eine Behandlung ihm, dem eigentlichen Herrn der Sequiota?
»Die beiden haben sich verständigt, um mich übers Ohr zu hauen«, grübelte Tonet. »Wer weiß, ob die ganze Wut Cañamels nicht den Zweck verfolgte, mich auszuschalten, damit sie größere Profite machen können!«
Und mit der Gier des Bauern, der in Geldsachen weder Gefühle noch Familienbande kennt, stellte er eines Abends den Großvater, als der sich zum Fang einschiffen wollte.
»Warum habe ich, dem die Sequiota gehört, schon seit langer Zeit keinen Centimo mehr gesehen? Ich weiß wohl, daß der Fang dieses Mal nicht so einträglich ist wie in den früheren Jahren; aber daß ihr trotzdem gute Duros einnehmt, erfuhr ich von den Aufkäufern. Also bitte: glatte Rechnung. Gebt mir, was mir zusteht – oder ich suche mir weniger habsüchtige Partner.«
Der alte Paloma, überzeugt, daß es sein gutes Recht sei, über die ganze Familie mit despotischer Autorität zu herrschen, verspürte nicht übel Lust, den Enkel mit der Stange zu bearbeiten. Aber dann gedachte er der Schwarzen, die Tonet im fernen Lande massakriert hatte.
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