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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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einem stummen Vergleich: knallte seine Flinte, so stellten sie sich, als hätten sie sich in der Richtung verhört, und liefen nach der falschen Seite.
    Sangonera, der bisher überall Verprügelte und von allen Türen Verwiesene, fühlte sich jetzt stark als Tonets Kamerad, und kam er nach Saler, so blickte er die Leute unverschämt an, wie ein kleiner Kläffer, der auf den Schutz seines Herrn zählt. Als Dank für diese Protektion verdoppelte er seine Wachsamkeit. Wenn dann und wann auf einer Streife begriffene Gendarmen vorüberkamen, schien der Vagabund sie zu wittern.
    »Tonet! ... Die Tricornios!« warnte er, fast noch ehe sie in Sicht waren.
    So oft die gelben Bandoliere und die Dreimaster aus schwarzem Lackleder in der Umgebung der Dehesa auftauchten, flüchteten Tonet und Sangonera auf die Albufera. In einem kleinen Nachen des alten Paloma schlüpften sie von Röhricht zu Röhricht, um Enten zu schießen, die Sangonera, daran gewöhnt, sogar im Winter ins Wasser zu gehen, mühelos an Bord beförderte.
    Die dunklen Sturmnächte – vom Großvater wie eine Himmelsgunst ersehnt, da sie den großen Fang brachten – überstanden die beiden in Sangoneras Behausung, zusammengekrochen in einer Ecke, wo der Regen, der durch die klaffenden Löcher im Dach prasselte, sie nicht erreichte.
    Tonet war hier nur zwei Schritte von seinem Vater entfernt; doch vermieder ihn zu sehen, so sehr fürchtete er dessen ernsten, traurigen Blick. Borda hingegen kam heimlich, um ihres Bruders Wäsche zu wechseln und ihm diese Fürsorge angedeihen zu lassen, deren allein eine Frau fähig ist. Erschöpft von dem harten Tagewerk, besserte das Mädchen beim Schein einer Laterne die Lumpen der beiden Strolche aus, ohne daß je ein Wort des Vorwurfs laut wurde.
    Blieben die Kumpane nachts unter sich, so teilten sie, während sie fleißig der Flasche zusprachen, sich ihre intimsten Gedanken mit. Tonet, den Sangoneras Beispiel an unausgesetztes Trinken gewöhnt hatte, konnte die Last seines Geheimnisses nicht allein tragen und enthüllte dem Kameraden seine Liebesbeziehungen zu Neleta.
    »Das ist eine Schlechtigkeit«, tadelte der Vagabund im ersten Augenblick.
    »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib!«
    Doch gleich darauf dem Gefühle der Dankbarkeit gegen Tonet nachgebend, fand er in seiner groben Kasuistik des ehemaligen Sakristans nicht nur Entschuldigungsgründe, sondern sogar Rechtfertigungen.
    »Eigentlich habt ihr ja ein gewisses Recht, euch zu lieben. Wenn ihr euch erst nach Neletas Heirat kennengelernt hättet, würden eure Beziehungen eine riesengroße Sünde bedeuten. Aber ihr habt schon in euren Kindertagen zusammen gespielt, ihr seid verlobt gewesen ... folglich ist der wahre Schuldige Cañamel, der sich ungerufen zwischen euch gedrängt hat. Also verdient er sein Schicksal.«
    In der Erinnerung an die zahllosen Male, die ihn der Schmerbauch vor die Tür gesetzt hatte, lachte Sangonera schließlich ganz beglückt über dessen eheliches Mißgeschick.
    Wenn dann kein Wein mehr vorhanden und das Licht des Laternchens fast heruntergebrannt war, begann Sangonera, die Augen vor Trunkenheit geschlossen, seine wirren Glaubensergüsse.
    Tonet, dem dieses Geschwätz nichts Neues mehr bedeutete, schlummerte darüber ein, ohne hinzuhören, während durch das vom Sturm geschüttelte Strohdach der Hütte Regenschauer prasselten. Aber Sangonera zauderte nicht, seinen Freund zu wecken, und näher zu ihm hinkriechend, flüsterte er ihm in geheimnisvollem Ton seine Hoffnungen ins Ohr:
    »Die guten Zeiten nahen! ER ist schon in der Welt. Ich habe ihn gesehen, wie ich dich jetzt sehe, und mit einer Hand von unnatürlicher Kälte hat er mich armen Sünder berührt.«
    Und wohl zum zehnten Male berichtete er über die seltsame Begegnung am Ufer der Albufera.
    »Von Saler kam ich, mit einem Paket Patronen für dich. Da überfiel mich auf dem sich am Seeufer hinschlängelnden Wege eine tiefe Erregung, als näherte sich etwas, das meine Kraft lähmte. Meine Beine versagten – ich fiel zu Boden mit dem einen Wunsch, zu schlafen, zu vergehen, nicht mehr zu erwachen.«
    »Weil du besoffen warst«, grunzte Tonet.
    Aber Sangonera widersprach.
    »Oh, nein! An jenem Tage trank ich sehr wenig. Der Beweis ist, daß ich wachblieb, obwohl ich mich nicht rühren konnte. Der Nachmittag ging zu Ende. Die Albufera schimmerte violett; über den fernen Bergen färbten den Himmel blutrote Wogen, und aus diesem Leuchten löste sich die Gestalt eines Mannes, der

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