Suna
sich hin. Verdammt, dachte er, heute habe ich es übertrieben. Er hoffte auf den sonntäglichen Kirchgang und Biljanas Hand in seiner. Er schlief ein.
Als ein Schrei durch die Nacht gellte, fuhr er hoch.
Das war Biljanas Stimme. Vor ihm starrten zwei grüne Ziegenaugen aus der Dunkelheit herüber. Er rappelte sich auf, schob sich an einem schlafenden Tier vorbei und suchte tastend nach der Tür.
»Sie fiebert«, sagte Biljana atemlos, »sie glüht.«
Zusammen betraten sie die Stube, niemand achtete auf den Ziegendreck, den Ilija mit hereintrug. Er stürzte hinüber zu Julkas Kammer. Er beugte sich über seine Tochter, legte die Hand auf ihre Stirn und zog sie sogleich erschrocken zurück.
Biljana ging zum Nachttisch und nahm ein Tuch, das dort gelegen hatte. Sie hob es hoch und zeigte es Ilija. Blutspritzer waren darauf.
»Sie braucht einen Arzt.«
»Wie sollen wir den bezahlen?«, fragte Ilija.
Draußen hörte man Schritte. Der alte Dragan. Er kam herein, sah Julkas hochrotes Gesicht, die geschlossenen Augen, legte seine große schwere Hand ungefragt auf Julkas Brust und schien zu horchen. Der Atem des Kindes ging nun rasselnd, und mit einem Male richtete es sich auf und begann laut und trocken zu husten. Rote Punkte erschienen auf der Bettdecke. Dragan stützte Julkas Rücken. Jetzt öffnete sie die Augen und sah ihn an – doch ihr Blick kam aus weiter Ferne und schien weder ihn zu erkennen noch wahrzunehmen, wo sie sich befand. Biljana schrie auf, als sie das sah, und schlug mit beiden Fäusten auf Dragan ein.
»Geh weg! Geh weg!«, schrie sie. »Du tötest sie noch, Kroate«, schleuderte sie ihm entgegen und dann spuckte sie vor ihm aus.
Ilija zog sie weg und hielt sie im Arm. Sie schluchzte. Unbeeindruckt wandte sich Dragan wieder zu Julka, breitete die Bettdecke über sie und sagte an Ilija gerichtet:
»Sie hat eine schwere Lungenentzündung. Sie braucht den Arzt. Ich gehe zu Milo.«
Dann verließ er die kleine Kammer mit einem langen Blick auf die weinende Biljana.
Zwei Stunden später bog Milo auf den Hof ein. Hinter ihm auf das Moped geklemmt saß der Arzt aus der Stadt. Er kletterte hinunter und eilte, so krumm, wie er noch von der Fahrt war, in das kleine Häuschen hinein zu Julka. Sie hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Biljana hielt ihre Hand. Ilija erhob sich, begrüßte den fremden Mann und deutete wortlos auf seine Tochter. Der Arzt beugte sich über sie und horchte. Genau wie Dragan vorhin.
»Lungenentzündung«, brummte er schließlich.
Dragan kam wieder, in der Hand Ilijas Hacke.
»Das ist deine«, sagte er.
Schweinedreck klebte noch daran und verbreitete einen üblen Geruch im Raum.
Der Arzt packte seine Gerätschaften wieder ein.
»Gibst du ihr Penicillin?«, fragte Dragan, ganz beiläufig.
»Penicillin?«, fragte der Arzt und tat offensichtlich so, als wisse er nicht, wovon der alte Mann sprach.
»Das ist«, sagte der Arzt und wischte sich mit einem Tuch über die Stirn, »das ist, das können …«, er brach ab.
»Du willst mir sagen, es gibt ein Medikament für meine Tochter und es ist zu teuer für uns?«
Ilija ging auf den Arzt zu, so dass dieser vor ihm zurückwich, Dragan aber legte ihm eine Hand auf die Schulter. Die andere, die er die ganze Zeit über in der Hosentasche gehalten hatte, zog er hervor, öffnete sie und ließ ein Bündel Geldscheine sehen.
»Reicht das?«, fragte er.
Der Arzt nickte, schnappte sich das Geld und wollte verschwinden.
»Du bist in zwei Stunden zurück«, sagte Dragan, nahm dem Arzt das meiste Geld wieder ab und legte es auf den Tisch. Noch immer hielt er die Hand auf der Schulter des schmächtigen Mannes.
Gegen Morgen kam der Arzt wieder. Er war grau im Gesicht, weil er nicht geschlafen hatte und vielleicht auch wegen Milos Art, Moped zu fahren. In der Tasche hatte er das, was Dragan Penicillin genannt hatte. Er schob den Ärmel von Julkas Nachthemd hoch und setzte eine Spritze an.
»Das Fieber wird sinken«, sagte er zu Biljana, »die Spritzen töten die Bakterien, verstehst du?«
Biljana nickte.
»Du musst das Zimmer dunkel halten«, sagte er dann, zog die Spritze heraus, tupfte das Blut, das aus der Einstichstelle quoll, mit einem Stückchen Stoff ab und packte die Spritze wieder ein.
»Ich komme zweimal am Tag«, sagte er und dann schielte er auf das Geldbündel auf dem Tisch.
»Nimm, was du brauchst«, sagte Dragan.
Der Arzt erhob sich.
»Wird sie durchkommen?«, fragte Biljana.
Der Arzt sah sie nicht
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