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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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aussehen wie überall, und Höfe, die aussehen wie überall, und da steht eine Frau, die aussieht wie eine Frau mit Geschichte.
    Aber Frau Weigand scheint sich nicht darum zu scheren.
    Sie steigen aus. Begrüßen einander.
    Julka schleicht in der Einfahrt herum wie ein Panther, schleicht in enger werdenden Kreisen um diese Frau, die Marinas Mutter werden soll für eine Weile, so lange, bis alles in Ordnung ist in ihrem Leben.
    Die fremde Frau raucht. Frau Weigand hält ihre Hand­tasche fest und das Tuch um ihren Schultern. Es ist schon kühl, obwohl es noch Sommer ist.
    Ein vier- oder fünfjähriger Junge fährt mit einem alten Roller herum.
    »Komm«, sagt die Frau zu ihm, »sag mal hallo zu Julka.«
    »Hallo«, sagt der Junge.
    »Ja«, sagt Julka, »ja, ich bin einverstanden«, und als sie nach Haus kommt, geht sie in Andruschs Kneipe und trinkt seine einzige Flasche Rakija halb leer.
    Julka fährt jetzt freitags zu Tanja und samstags zu Marina. Sie erzählt Schwester Bonifazia von Andrusch, mit dem sie jetzt richtig zusammenlebt. Einmal kommt er sogar mit, den Anzug hat sie ihm ausreden können.
    »Nächsten Monat«, sagt Julka.
    »Nächsten Monat«, sagt Schwester Bonifazia.
    Das Kind ist weg, noch ein Kind. Die Katze hat noch zwei Leben. An einem seidenen Faden.
    Andrusch reist zum Konsulat, um endlich die Papiere abzuholen für die Hochzeit. Es ist März und die Wege sind glatt. Die Straße ist fast leer, am anderen Ende sieht er ein einzelnes rotes Fahrzeug. Vorsichtig – nur die wertvollen Dokumente jetzt nicht in den Schneematsch fallen lassen! – überquert er die Fahrbahn und schließt den Wagen auf, den er sich geliehen hat für die Fahrt in die Stadt. Es schneit.
    Er steigt ein und legt die schwarze Mappe auf den Beifahrersitz. Alle Papiere darin sind mit frischen Stempeln und Siegeln versehen. Monatelang hat er gekämpft, bis er alles hatte aus Jugoslawien und die Deutschen zufrieden waren mit allem. Acht Monate.
    Die Scheibe ist zugeschneit, so kann er nicht fahren. Die Scheibenwischer klemmen. Er beugt sich hinüber zum Handschuhfach und sucht nach dem Eiskratzer, wo hat er den denn gesehen?
    Er hört noch die Bremsen quietschen. Das rote Auto ist auf der eisglatten Fahrbahn ins Schleudern gekommen und rutscht jetzt auf Andruschs Wagen zu. Es knallt mit der rechten vorderen Ecke in die Fahrertür.
    Hätte Andrusch nicht nach dem Eiskratzer gesucht, wäre er jetzt tot.
    »Seine Beine wird er bis an sein Lebensende nicht mehr benutzen können«, sagen die Ärzte zu Julka, und ob er überhaupt wieder aufwache, sei auch fraglich.
    Julka geht wie ein Roboter zur Arbeit.
    Frau Jost sieht jeden Tag besorgter aus.
    »Isst du denn? Schläfst du?«, und Julka nickt und lächelt und lächelt und nickt und kann die Tage nicht mehr aus­einanderhalten, sie weiß nur, dass sie jetzt montags noch zusätzlich zu Andrusch muss.
    »Klar kann er die Kneipe behalten«, brummt der Besitzer, als sie ihm von Andruschs Unfall erzählt.
    Die ganze Woche steht sie in der Fabrik und trinkt Kaffee und raucht, um nicht verrückt zu werden. Sie kotzt nach dem Aufstehen auf den Teppich und wischt es erst weg, wenn sie abends von der Arbeit kommt.
    Als Marina laufen lernt, ist es Ostern, und Julka kommt immer noch jeden Samstag zu ihr.
    Aber sie sieht, dass Marina ein Zuhause gefunden hat, und weiß, dass der Tag kommen wird, an dem sie für immer dort bleiben wird. Die fremde Frau wünscht sich das so sehr, immer sagt sie es beim Abschied: »Überlegst du es dir, lässt du sie ganz bei uns?«
    Zu Schwester Bonifazia sagt sie nicht mehr »nächsten Monat«.
    Nur noch ein Leben. Und ein halbes.
    »Ich kriege noch ein Kind«, sagt sie zu Andrusch, als der endlich seine Augen wieder aufmacht.
    »Von wem?«, krächzt er.
    »Du Idiot«, sagt sie.
    »Gibt’s einen Pfarrer hier?«, sagt Andrusch.
    »Stirbst du jetzt doch, oder was?«
    »Haha«, lacht Andrusch, »ich will dich heiraten. Jetzt. Besorg uns einen Pfarrer. Mein Kind soll wenigstens anständige Eltern haben.«
    Julka lacht und weint gleichzeitig an seinem Bett.
    »Bist du bescheuert?«, sagt sie.
    »Ich liebe dich«, sagt Andrusch.
    »Du brauchst doch nur jemanden, der dir den Arsch putzt«, sagt sie.
    »Da ist was dran«, sagt Andrusch, aber trotzdem gelte auch das andere, was er nicht noch einmal aussprechen will.
    Es wird doch alles wieder gut, denkt Julka. Man muss nur weitergehen. Einen Fuß vor den anderen setzen.
    Einmal noch kommt Do ğ an vorbei, der von Andruschs

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