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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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in einem Ton, der nur zulässt, dass man lacht und eben keine Fragen stellt.
    Gleich wird er kommen, und Julka wird ihn fragen müssen, ob sie telefonieren darf.
    Andrusch wird nicken, den Lohn kürzen wegen der Arbeitszeit, die sie privat nutzt, statt zu bedienen, und ihr dann doch noch zehn Mark extra geben. Er wird den Schein in Marinas Körbchen stecken oder in die Tasche mit den Windeln.
    Er weiß ja, dass sie nicht nur dieses Kind hat, aber er fragt sie nicht. Keiner fragt sie mehr nach ihrem Leben oder nach Tanja, denn der Letzte hat eine Narbe im Gesicht davongetragen, die so lang ist wie ihr kleiner Finger.
    »Andrusch, ich muss telefonieren«, sagt sie, als er kommt.
    »Kennst du mehr Menschen, als hier im Raum sind?«, fragt er.
    »Du weißt, wen ich noch kenne«, sagt sie böse, und er merkt, dass es ihr ernst ist.
    »Ach so«, sagt er und macht eine Kopfbewegung hin zum Münzfernsprecher.
    »Dass die da überhaupt schon Strom und Wasser haben«, brummt Andrusch noch.
    Julka legt ihre mitgebrachten Markstücken obendrauf und wählt die Nummer vom Teehaus. Kamil sei da, ja sicher, man hole ihn, wer da spricht?
    »Das weißt du«, sagt sie auf Türkisch und dann hört sie seine Schritte und wie er den Hörer nimmt.
    »Wo bist du?«, fragt er, und es klingt traurig, so traurig, dass sie halb schon wieder bei ihm ist, ihn streicheln will, seine Augen küssen und seine Lippen.
    »Zu Haus«, sagt sie nur, denn zu Haus ist, wo Marina ist, zu Haus ist hier. Und da, wo Tanja ist.
    Zu Haus ist überall, nur nicht bei ihm.
    »Geht es dir gut?«, fragt er, und im Hintergrund wird es lauter.
    Die Männer haben ihre Gespräche wieder aufgenommen. Da fragt sich keiner mehr, mit wem der Deutschländer spricht, der Besuch gehabt hat von einer, die es geschafft hat, die scharfzüngige Ayse zu vertreiben aus ihrem Sommerhaus.
    Der Besuch gehabt hat von einer Frau, die über Nacht verschwunden ist, und der danach wochenlang auf dem Feldstein unter der Eiche an der Kreuzung saß. Aber die Frau mit dem schielenden Auge ist nicht wiedergekommen.
    Alles ist wie immer, keiner steigt mehr aus dem Taxi.
    Wer soll denn dorthin kommen? Dorthin, wo alle fort sind und nur Kamil wieder zurück ist aus Deutschland – drei Kinder hat er jetzt und immer noch Hände wie ein Dichter.
    Vielleicht hat er ja gar nie gearbeitet in der Fremde?
    Ayse sagt das oft genug, wenn er wieder nur dasitzen kann und starren, und sie hat die Arbeit mit den Kindern und dem Hof.
    »Also arbeiten kann der auf jeden Fall nicht, nicht mal die Armee wollte ihn lange behalten. Nicht mal die!«
    So keift sie jeden an, der es hören will, und die anderen auch, aber wer genau hinschaut, kann in ihren zornigen Augen die Traurigkeit sehen, die da ebenfalls wohnt.
    Nur auf die fremde Frau mit dem schielenden Auge lässt sie nichts kommen, seltsamerweise.
    Julka sagt es ihm jetzt.
    Sie sagt: »Du hast noch eine Tochter.«
    Und er schweigt.
    Sie sagt nicht den Namen, das soll er fragen.
    Sie sagt, wie sie zur Welt kam und wo, und vergisst ihm zu sagen, dass es vier Wochen und zwei Tage zu früh war.
    Sie vergisst es und merkt es nicht, aber Kamil ist nicht dumm, er kann rechnen.
    »Wann ist sie geboren?«, fragt er.
    »Vor vier Wochen«, sagt Julka.
    »Ich glaube dir nicht«, sagt er.
    »Vor vier Wochen und zwei Tagen ist deine Tochter geboren«, sagt Julka, und wie schmerzt es sie, dass er ihr nicht glaubt.
    »Das ist nicht wahr«, sagt er.
    »Dass ich ein Kind hab?«
    »Das schon«, sagt er und es klingt gemein.
    »Aber es ist nicht von mir«, sagt er, »es kann nicht von mir sein.«
    »Es ist von dir«, sagt Julka, aber sie merkt, wie ihre Kraft nachlässt, weil sie seine Stimme hört, ganz nah, und weil Marina da ist und in ihrem Körbchen schläft und Kamil sagt: »Es ist nicht von mir«, und sie bemerkt ihren Fehler nicht, sie bemerkt ihn nicht! Vier Wochen.
    Sie merkt nicht, wie seine Stimme hart wird, wie er verschwindet hinter seiner Stimme und wie er verletzt ist, zu hören, da ist ein Kind, und denkt, sie versucht es ihm unterzuschieben.
    Als ob sie nicht schon genug angerichtet hätte, als wäre der Schmerz, den sie ihm zugefügt hat, noch zu klein gewesen. Allah, denkt er, was hab ich getan, dass du mich prüfst auf diese Weise.
    »Du fährst nach Deutschland zurück, ohne ein Wort! Mein Herz ist gebrochen, weil ich Emine nicht sehen kann, und jetzt rufst du an und sagst, da ist noch eins mehr? War­um machst du das?«
    »Weil es die Wahrheit ist, Kamil.

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