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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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mich zu bestrafen. Da aber die andern hörten und sahen, wie ich wurde bestraft, wagten sie nicht mehr hineinzugehen, auch Phylakos nicht, wenn er zweifelte, in welches der Zimmer die Stimme meines Herrn ihn gerufen.
    Und zwei Tage lang traten nur die zu ihm, die zu gewohnter Stunde die vorgesehenen Speisen hineintrugen, den Raum aber alsgleich wieder verließen. Und es hieß – denn so trug man mir’s zu –, er rufe des Nachts nicht mehr und man habe ihn nicht mehr vernommen.
    Da war ich mit Sorge um ihn geschlagen und, trotz der erfolgten Strafe, widersetzte mich abermals seinem Befehl. Ich befürchtete nämlich, sein Rufen könnte inzwischen, vom Fieber geschwächt, nicht mehr hörbar sein draußen, wenn er riefe in wirklicher Not.
    So faßte ich Mut und betrat nachts, ohne daß er nach mir gerufen, die Räume, darin er schlief.
    Und stellte mich unweit des Lagers hinter den Vorhang. Denn ich wollte heimlich dort wachen, ihm zur Stelle zu sein.
    Kapitel 93. Die Beauftragte
    In der Nacht aber hörte ich meinen Herrn sich bewegen im Traum und sah, wie er beide Hände zog zum Gesicht.
    Und er ächzte und stöhnte. Bis ich schließlich glaubte, sein Weinen zu hören.
    Und daraus wurde er wieder still.
    Nachtwind aber zog durch die Räume, war kühl und bewegte den Vorhang, dahinter ich stand.
    Leicht erst bauscht er ihn vor mir und läßt ihn wieder sich senken. Hebt höher ihn abermals, und – da! – augenblicklang stößt der Wind pochend hinein und – bevor ich den Vorhang ergreifen kann – zieht ihn im Schwall noch empor, breitet ihn fahnengleich über mir aus. Da sah ich hinauf, stand wie angewurzelt, den Rücken zur Wand gepreßt.
    Bis herabfiel, in Falten sich senkte der Vorhang, mich wieder deckte.
    Doch mein Herr, geweckt vom heftigen Wind, muß mich gesehen haben, erkannt.
    Denn ich hörte ihn rufen.
    Und nicht nach einem Diener oder einer Dienerin rief er, auch nicht nach dem Scherbenmädchen. Sondern mit Namen rief er nach mir. Mich rief er, rief:
    ›Neith.‹
    Da trat ich hin an sein Lager, nicht ohne Furcht.
    Und als ich mich über ihn beugte zu sehen, ob er nicht schlafe, es ein Traum gewesen, daraus er gerufen nach Neith, ergriff seine Hand den Stoff meines Kleids.
    Und seine Hand fuhr streifend herauf die Falten des Kleids. Und ich hörte ihn einatmen die Nähe der über ihn Hingebeugten.
    Da hört ich ihn sagen:
    ›Neith, du riechst nach Brot.‹
    Er sprach’s aber mit offenen Augen. Sprach es, als sei ich gekommen, trüg ihm gebackenes Brot.
    Mir aber klang es, als sehe mein Herr offenen Auges: in wirklich gewordenen Traum.
    Aber nein, er war wach. Wiederholte mir:
    ›Nach frischgebackenem Brot, Neith …‹
    Und ich dachte, ihn hungert – Zeichen, daß die Krankheit sich wendet. Und stehe auf, will ihm zu essen bringen.
    Da hält er mich doch.
    Hält mich fest.
    Ich aber sage zu ihm:
    ›Mein Herr hat im Fieber geträumt.‹
    Und er wiederholt:
    ›Geträumt.
    Sprach’s aber, als wolle er sich in Erinnerung rufen, was das bedeute: ›geträumt‹.
    Und ich sage:
    ›Vom Traum ist mein Herr erwacht.‹
    Da sagt er nochmals:
    ›Geträumt.‹
    Und sprach’s, als wäre es ein und dasselbe, ob gewacht, ob geträumt.
    ›Geträumt hab ich von meinem Tod, Neith‹, sagte er da. Denn nun wisse er: die Krankheit, die ihn befallen, die sei zum Tode. Es seien Vorkehrungen zu treffen dafür.
    Und fest hielt er meine Hand, da ich aufstehen, ausweichen wollte vor Schmerz, ihn solches sagen zu hören.
    Da gab er mir meinen Auftrag. Und ließ mich geloben auszuführen, was er mir auftragen werde.
    Und ich gelobte’s. Und wußte noch nicht, was er mich heißen würde.
    Und er ließ mich geloben, nicht davon wissen zu lassen den Sohn, nicht die Familie, noch die Verwandten, auch keinen von seinem Gesinde wissen zu lassen davon, weder vom Auftrag, den er mir geben wolle, noch von seinem sicheren Wissen, die Krankheit sei eine zum Tode.
    Denn mein Herr wußte, was alle glaubten: daß die Krankheit Kummer sei um die Frau. Und wußte, daß alle glaubten, schon ihr nächster Brief werde ihm wieder Besserung bringen.
    Er aber sprach zu mir:
    ›Vom eigenen Begräbnis hat mir geträumt. Nie wird mir klarer sein, was zu tun bleibt. Da ich’s nun weiß.‹
    Da sprach er weiter zu mir:
    ›Ich schicke dich fort, Neith. Aus dem Haus.‹
    Ich aber dachte: So läßt er mich gehen, entläßt mich. Denn ich war schwanger und dachte: Er weiß es … Und dachte gar: … oder hat es gerade erfahren, als seine Hand

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