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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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sei immer noch und gerade geschehen die Flucht durchs ägyptische Schilfmeer.
    Als habe er nun – auf der Flucht aus welcher Gefangenschaft? – den Sohn verloren im Meer.
    Als sei Mose noch, und das Schilfmeer ausgegossen im See Gennesaret.
    Als seien Knechtschaft und Vielgötterei neu zu durchstehen.
    Als sei Freiheit: vor ihm verheißenes Land – aber welches? Er sah’s nicht.
    Als sei dort unten im Unterwasser – tief unter toten Verfolgern, den Vätern der toten Erstgeburt, die der Herr in der Nacht des Übersprungs sich zum Schlachtmahl geschlachtet –, als sei dort unten, unterm Meeresgrund, noch im Hohlbaum verschränkt: der Erstgeborene immer.
    Als sei daher in Gefangenschaft der, der Joseph doch Zukunft bedeutet: der Sohn. Sein ertrunkener Jesus.
    Davon aber sprach Joseph niemandem, daß er immer wieder hinabdachte und sich versuchte und in Versuchung war an den Bildern jenes Gesichts. Und sprach auch seiner Frau nicht davon, weil er glaubte, die Bilder würden sie stärker verstören.
    Der Mutter aber des ertrunkenen Kindes wurde kein Trost. Und nie hat sie Joseph verziehen. Nicht aber, indem sie den Mann heimlich oder vor anderen beschuldigte, sondern sich selbst immer wieder in Klage ertränkend, überhäufend mit Schuld, überschritt sie alle Grenzen der Trauer.
    Sie starb noch im selben Jahr nach der Rückkehr ins Dorf, Sterndorf, wo sie lebten. Es war aber das Dorf jenseits des Jordan, in das Joseph fliehen wollte, als er Maria im Haus der Witwe von Flucht gesprochen, ihr den Auftrag gegeben und genannt hatte sein Ziel. Denn Josephs Mutter wohnte noch dort, im Dorf jenseits des Jordan, am Ort, den er nach dem Tod seiner Frau, nach Nazaret ziehend, für immer verließ.
    Kapitel 17. Die Hände
    Nun war aber Joseph, hingetrieben vom Sturm, dem er nachgab, als er den Fischer hieß, treiben zu lassen das Boot, wieder dort angetrieben worden, wo sie ihm einst die verschränkten Arme geöffnet.
    Wie vor Jahren also stieg Joseph aus dem Boot ans Ufer des Lands Geraschim, ins Land der Vertriebenen, und erkannte die Gegend, dahin ihn gezerrt die Winde.
    Und er schickte sich an, aufzusuchen den Ort, an dem er gebaut hatte das Leergrab.
    Und wich aus. Denn er fürchtete den Schmerz, der dort einstieße auf ihn. Also umstrich er den Ort, wie einer der weiß, daß er nicht ausweichen darf, nur noch zu schwach ist, geraden Schritts darauf loszugehen.
    Und er fragte sich: Warum schlägt mich hierhin der Sturm meiner Flucht? Wäre hier, bei den Heiden, Asyl? Hier, um den Trauerort, Trost? Und was käme aus Nachgedenken an ihn, den totverlorenen, meinen Jesus, dem ich das Leben schulde?
    Da war Joseph, als fühle er in seinen Händen liegen den Säugling. Als fühlten die Hände noch, beidinnenseitig, wie der Kleine sich wand zwischen ihnen, zurückstrebend im Schreien zur Mutter.
    Und Joseph fühlte den Druck der eigenen Hände, wie sie sichernd um die zartkleinen Hüftknochen des Sohnes sich schlossen, ihn haltend, ihn sichernd, während der Säugling sich schon zurückwinden wollte, in der Drehung zurück aus den Händen ihm strebte.
    Und fühlte in Händen die Wärme der Haut noch des Kleinen, darunter die Höcker der Hüftknochen in windender Drehung. Und der war sicher gehalten, der sich so wand. Denn Joseph hielt sichernd ihn, beidhändig haltend den Säugling, noch als der sich streckend zur Mutter hin wand.
    Und Joseph fühlte, noch in sicherem Griff, den Sichwindenden, wie er die Mutter suchte, das kleine Gewicht zwischen Händen. Und unter den Händen, die sichernd hielten den Sohn, sah Joseph auftauchen die Hände der Mutter, herauftauchen die aufgehaltenen Hände der Frau. Ermutigen will sie den Mann, herabzugeben aus Händen den Sohn. Ermutigen auch den Sohn, von ihren Händen empfangen zu sein. Und will ihn greifen zurück.
    Da fühlt Joseph den Schlag der Welle, Druckschlag, der plötzlich quer an ihn schlägt, daß Joseph den Stand verliert. Es ihn öffnen macht sicheren Griff seiner Hände, die sichernd die Hüften des Säuglings noch hielten.
    Fühlt, wie die Hände, die Klammern der Hände, sich öffnen.
    Wie die Linke hinabfährt, Joseph am Bootsrand zu stützen.
    Wie die Rechte den Sohn – so geschwächt – offen läßt für den Stoß.
    Denn ausstieß den Säugling die Welle. Stieß ihn aus dem Korb der Hände des Vaters. Stieß hinaus den Sichwindenden, der, nach der Mutter Hände sich reckend, in der Drehung entgleitend, gestoßen wurde hinaus.
    Hinabzufahren ins Meer.
    So umstrich Joseph

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