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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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getan, hockte er dort, den Arm erhoben gegen die Stöße des Winds. Da sah er hinüber zum Einlaß der Felsspalte, aus der er den Toten gezogen. Und ging nochmals hinüber, gebückt gegen den Wind. Denn er wollte die umgestoßene Felsplatte aufrichten, die Höhlenkluft so zu verschließen, wie sie gelassen hatten die Seinen.
    Da fehlt ihm aber die Kraft, aufzurichten die Felsplatte, sie an die alte Stelle hinüberzurücken. Denn er richtet sie auf, preßt aufwärts die Platte mit Händen, daß sie auf der Kante steht vor ihm, vermag aber nicht mehr, sie näher zu rücken der Kluft.
    Hält inne.
    Nicht aber Atem zu holen von der Anstrengung des Aufstemmens. Sondern um mit der Hand zurückzutasten zu einer Stelle der Felsplatte, auf der sie eben noch lag, seine Hand. Sie zurückzulegen darauf.
    Und Josephs Hand fand wieder die Stelle, wo sie Rillen ertastet hatte, Rillen in der Platte des Steins. Die Rillen aber waren geritzt, geschabt, geschlagen in die Oberfläche des Schließsteins.
    Zu schwach aber war das Mondlicht, wo er aufgestemmt hatte den Stein, so daß Joseph die Zeichen – denn Zeichen waren es, hier eingeschlagen – nicht zu entziffern vermochte.
    Und nochmals war’s ihm, als läg er im Felsspalt verborgen, die Hülle des Toten auf seinem Rücken, und hörte das Schlagen und Ritzen, das Schaben und Kratzen, das so vernichtend ihm war gewesen, als er’s vernommen. Denn zu tilgen schien es ihm seinen Namen.
    Da fährt Joseph die Zeichen, die er gerade entdeckt, unter der Hand nochmals ab. Und erkennt, es ist Schrift. Und tastet jetzt einzeln die Zeichen, fährt mit dem Finger einzeln sie ab.
    Aber liest er, versteht er, was er da liest, mit dem Finger fahrend durchliest?
    Denn er kann es nicht glauben.
    Nochmals führt er, gegen die Platte gestemmt, die Fingerspitze über die Zeichen, in ihre gemeißelten Gräben hinab. Läßt die Kuppe des Fingers ihn führen dort, läßt die kantig eingeschlagenen Rillen leiten den Finger, dem er lesend nachfolgt nochmals.
    Und nochmals – er kann es nicht glauben.
    Denn so spricht zu ihm, was er liest, so sprechen die in die Deckplatte gemeißelten Worte im Stein:
    Nach
    Drei
    Tagen
    Lebe
    Joseph steht aus der Hocke, taumelt.
    Und es kippt her die Felsplatte, fällt zu Boden zurück, auf ihn zu.
    Joseph weicht rückwärts, die Augen geheftet, als stünden noch vor ihm die Worte. Arm und Finger fahren ausgestreckt durch den Wind, als strichen sie, immer geführt, durch die Rillen hin des letzten der vier.
    Zurück aber weicht er. Weicht zurück vor dem Wort, das ihn liest.
    Bis sein Rücken stößt an die Felsen. Da kauert er hin und hüllt schränkend um sich das Tuch.
    Kapitel 57. Das Lungern
    Und Joseph, die Nacht hindurch, blieb unterm Tuch. Er vermochte aber nicht zu sammeln, was zertrümmert lag vor ihm. Denn es kam nicht in Ordnung, was er dachte und fühlte.
    Da stand er auf, noch war es Nacht.
    Und ging abermals hin, auf die Felsplatte zu, die da lag. Und er ging in die Hocke vor ihr und schob seine Hände unter die Kanten der Platte, als wolle er den Stein aufstemmen nochmals, nochmals zu lesen die Worte.
    Da wagte er nicht, aufzuheben den Stein. Und hob ihn nicht. Aus Furcht nämlich, keines der Worte mehr vorzufinden.
    In derselben Nacht aber noch wollt er verlassen den Ort und hinabsteigen den Berg auf der anderen Seite. Wegzuziehen, weg von dem Ort, an dem Gott ihn zerschlagen und dem Weigerer durchschnitten hatte das Leben.
    Aber er fand sich gebunden an ihn, diesen Ort. Denn zweimal versuchte Joseph hinauszugehen, hin durch die Felsen, den Weg hinab, den der Reiter gekommen war, drei Tage her.
    Und zögerte und wurde gehalten, als würde es ihm verweigert.
    Denn Joseph war, als hielte ihn einer, als sei er gezogen zurück an den Ort. Und wie Joseph zunächst umgangen hatte den Opferberg, erst nach der zweiten Umgehung hinaufstieg mit Jesus, und wie er beim Herangehen an den Berg gezögert hatte, ihn zu erreichen, zweimal ihn umging, bis er am dritten Tag anstieg hinauf mit dem Sohn, so auch, als Joseph verlassen wollte den Opferberg noch in der Nacht.
    Joseph aber dachte: angekettet bin ich doch an den letzten Ort, wo ich Leben gehabt. Wie ein lungernder Geist, der nicht kommt davon los.
    Und er verließ den Ort nicht.
    Kapitel 58. Der Schrei
    Da kam bei Morgengrauen des folgenden Tages Jesus, der Sohn, nochmals zum Grab, in das sie den Toten gelegt hatten.
    Er kam aber allein.
    Und er schritt, von der alten Feuerstelle heraufziehend, hin zur

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