Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
Vom Netzwerk:
hin in das Zelt, daß es notdürftig aufgerichtet war an kurzem Stab. Und sah eine Alte, die halb lag und halb lehnte am Stab, der stak in der Mitte des Zelts. Denn wie einen Rocken zwischen Schulter und Arm umhielt sie den Stab, der emporhielt das Zelt, das bestießen die Winde.
    Und sie lehnte am Stab und zugleich streckte aus ihre Rechte, Joseph konnte nicht sehen, wohin.
    Da rückte er tiefer ins Zelt, um zu sehen.
    Vor der Alten aber brannte ein Lämpchen, und Joseph sah’s nicht, aber erkannte doch, was es trübhin beschien.
    Denn braun und gelb tauchte sein Schein an den zitternden Bauch eines Pferdes, das lag flach vor der Frau zu Boden.
    Und die Hand der Frau kam und ging durch das Licht, gelb und braun, und trug Salbe, die troff im Licht von den Fingern der Alten.
    Und sie bestrich mit der Rechten ruhig die Flanke des Tiers, das vor ihr lag zur Mitte des Zelts.
    Und Joseph hörte das Schnaufen der Nüstern des Pferdes und roch den scharfen Geruch der Salbe, mit der sie bestrich. Und er sah ein Zittern, das schoß hin übers Fell des Pferds bis hinab zu den Fesseln, daß ausschlug der Schweif.
    Da erkannte Joseph das Pferd an den Wunden, die sie bestrich. Denn es war blutige Prankenspur am Bauch und der Flanke, über die hinstrich die Hand der Alten. Und war sichtbar, wo sich die Berglöwen zum Raub gerissen hatten den Reiter und nachgesetzt hatten dem Pferd, das entkam.
    Und als Joseph erkannte das Pferd, wurde hörbar ein Murmeln der Frau. Denn sie sprach und sang zu dem Tier, während sie seine Wunden bestrich.
    Da hörte Joseph sich sagen: ›Wessen Pferd denn besingst du?‹
    Die Alte aber antwortete, als habe sie schon eine Zeitlang bemerkt, daß Joseph hinter ihr ins Zelt gerückt war. Denn sie sprach, ohne sich umzuwenden:
    »Es ist das Pferd des Sohns Amaleks, das knapp der Schlachtung entkam. Dunkelheit zog übers Land, da kehrte es reiterlos zu mir zurück.‹
    Und Joseph erschrak, als er hörte Amaleks Namen, der den Erzfeind beschwor aller Juden. Denn die Alte hatte den ehemaligen Aufseher der Knechte, der doch das Pferd geritten hatte, ›Sohn Amaleks‹ genannt.
    Nun war’s Joseph, kaum hatte er ihre Worte vernommen und war erstarrt vor Schreck überm Namen des Erzfeinds, als trügen ihn Hände unsichtbar und legten ihn ab vor der Alten.
    Und ihm war, als liege er dort, wo das Pferd noch eben gelegen, liege flach vor der Frau zu Boden.
    Und Joseph fühlte, wie ihre Hand bestrich seinen Rücken, wie sie bestrichen hatte die blutige Flanke des Pferds.
    Und Joseph hörte sich sagen zu ihr: ›Warum bestreicht mich deine Hand?‹
    Da antwortet die Stimme der Alten, die spricht: ›Zum Trost bestreicht sie dich.‹
    Und nochmals hörte Joseph sich fragen: ›Weißt du denn um mein Leid?‹
    Da sprach die Frau: ›Getrennt von den Lebenden gehst du unter den Toten.‹
    Und Joseph, nochmals erschrak er zutiefst, hörte sich sprechen:
    ›Bin ich denn tot?‹
    Da antwortete ihm die Frau: ›Fühl meine Hand. Deinen Rücken bestreicht sie. Dich zu trösten hin durch den Tod.‹
    Da bestrich ihre Hand seinen Rücken mit Tröstung über die Wunde des Todes.
    Und es sank ein Tröstung in Joseph. Ein Maß nur, das sie einstrich in seinen Rücken. Und war Tröstung, nach der ihn hungerte. Er aber hatte es nicht gewußt.
    Da, als der Hunger um ein Maß nur gestillt war, hört Joseph sich sprechen:
    ›Mich dürstet.‹
    Die Stimme der Alten aber fuhr ihn an, daß ein Zittern hinschoß durch Joseph bis hinab in die Ferse. Und die Frau ließ absinken die Hand, die strich ab von ihm, und sprach:
    ›Hingab ich meinen Sohn, der zerrissen wurde für dich. Vergossen sein Blut fürs Blut deines Sohnes. Und noch dürstet dich? Du trankst davon, aber begreifst nicht.‹
    In ihren letzten Worten aber schrie schon der Wind.
    Da stießen Bilder her auf ihn zu, darin Joseph nochmals sah kommen den Reiter, den Pfad hinaufwärts zu Pferde, sich hinnähern unter die Stelle des Felsens bei Nacht.
    Und sah die Löwen sich lagern über dem Felsspalt. Sah sie ansetzen zum Sprung, ihr Opfer zu reißen. Und sich selbst sah er, Joseph.
    Denn stand er nicht, da er den Reiter gesehen, unweit des Steinaltars? Und lagen nicht geschichtet auf dem Altar, feuerbereit, die Scheite zum Brandopfer, die er gehoben hatte aus dem Versteck beim Altar? Und lag nicht im Schlaf gefesselt der Sohn, den er gebunden, der Jesus? Und hielt Joseph nicht in der Hand das Opfermesser, das er gehoben hatte als letztes aus dem Versteck?
    Da war’s

Weitere Kostenlose Bücher