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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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hinab.
    Und blieb ungesehen.
    Jesus aber ging davon und verließ den Ort.
    Kapitel 59. Der Sohn der Alten
    In der Wüste nun, die umgab den Berg, erhob sich ein Sandsturm. Der verdunkelte den Horizont und zog herauf gegen den Berg noch am selben Tag.
    Da trat Joseph aus dem Schutz der Felsen hervor und stellte sich in den Sturm.
    Und gebeugt vom Sturm verließ er den Berg. Stieg tastend durch dunkelnden Staubwind hinabwärts den Pfad, den drei Nächte zuvor der Reiter gekommen war.
    Da war ihm, als peitschten Sand und Staub auf ihn ein, den Verlassenen noch zu strafen für sein Verlassensein, den Heimatlosen für den Verlust seiner Heimat.
    Und als er erreichte die Ebene und irrte und tappte hin durch die Winde, nicht wußte, ist es Tag oder Nacht, da wetzten die Winde sich an ihm und wollten ihn schinden. Und er ließ sie und schützte sich nicht unterm Tuch.
    Denn bedeckt war Joseph mit der Schande des Ungehorsams und bloßgestellt in der Scham, auf immer beraubt zu sein der Familie, der Freunde, der Sippe.
    Und die Winde rissen an ihm. Und ihr Gebrüll schrie um ihn. Abzuziehen, was ihn noch band, zu tilgen die Spur seiner Bindung. Und das Schreien des Winds, in den er sich bückte, geschunden zu werden, war hoffnungsvoll tilgend.
    Und ihm war, als würde er losgewaschen im Sand. Denn Gott hatte ihn verlassen.
    Joseph aber sprach in den Wind:
    ›Ich weiß, warum du mich verlassen hast.‹
    Und wenn Joseph ermattete, zu schwach war, zu kriechen im Sturm, sprach er ins Dunkel hinein, vornübergebeugt:
    »Was noch soll ich Dir, Herr? Stoß herab, mach ein Ende!«
    Und als er im Dunkeln lag unterm Wind, hungerte ihn.
    Und er sah etwas vor sich im Sand, das sah aus, als beugten sich Ähren vor ihm, die waren in Beugen gestoßen vom Wind, hergebogen zu ihm, als verneigten sie sich.
    Und er suchte nach ihnen zu fassen, denn ihn hungerte. Und vermochte nicht, sie zu greifen. Denn wohin er auch griff und wie weit er sich schleppte, nach ihnen zu greifen, sie beugten sich nicht seinem Griff.
    Da ließ er ab und dachte: Wie könnten Ähren hier wachsen im Sand? Ich träume! Und dachte: Und doch sah ich einst Ähren auf dem Grund einer trocknen Zisterne, hüfthoch gewachsen im Dunkeln.
    So dachte er und griff nochmals hin.
    Da wurden die Bogen der Ähren vom Sturm aus der Beuge zu Boden gedrückt, lagen flach und dunkel, so daß er glaubte, zerrissene Reste der Leiche, die er auf dem Rücken des Berges begraben, im Wind vor sich liegen zu sehen. Und sie bewegten sich mit den Stößen des Winds.
    Erschrocken zog er zurück seine Hand. Und ein Wort, das Joseph gesagt hatte einmal im Hohn, trat vor ihn hin. Und ob es auch alt war, so alt: längst vergessen, stand’s plötzlich vor ihm und sprach zu ihm höhnend, er hörte’s: ›… bist schon gestorben!‹
    Denn viele Jahre zuvor, es war bei der Arbeit am Bau in Sepphoris, hatte Joseph einst einen ägyptischen Arbeiter gehöhnt, der behauptete vom ägyptischen Gott der Toten: ›Wer den toten Osiris schaut, der kann nicht sterben.‹
    Joseph aber hatte damals etwas hingesagt und zu jenem gesprochen im Hohn: ›Was für ein Gott soll das sein, der tot liegt, in Stücke zerrissen, wie du uns sagst? Ahne ich doch, warum nicht sterben kann, wer Osiris schaut. Denn wer den Toten schaut, ist schon gestorben – und daher kann nicht mehr sterben.‹
    Und mit andern hatte er damals gelacht. Jetzt aber ergriff Joseph Schaudern. Und er schleppte sich weg von der Stelle, als habe er zu greifen gesucht ins Reich eines toten Gottes, Gottes der Toten, den er nicht kannte. Und er fürchtete, daß er gesehen hatte, was er zum anderen damals im Hohn gesprochen.
    Und ihm drang hinterher ein Wort und verfolgte ihn: ›Bist schon gestorben.‹
    Der Sandsturm aber hielt an Tage und Nächte. So daß Joseph nicht mehr unterschied Tage und Nächte, denn wo immer der Sturm mächtig war, da hielt an die Nacht.
    Einmal, als er zusammenbrach im Dunkeln und der Sturm hinfauchte über ihn, griff er matt an sein Gewand, das Tuch sich über den Kopf zu ziehen, darunter zu atmen.
    Und mit der Hand noch fühlte er, daß der Zipfel des Tuchs, nach dem er gegriffen, schon unter Sand lag, zugeschüttet vom Wind. Da zog er’s hervor und schob sich darunter, daß er bedeckt wäre vom Tuch.
    Joseph aber sah, daß er nicht sein Tuch aufgehoben hatte, sondern ein anderes, das war vom Sand vergrabene Zeltbahn. Und war also nicht unter sein Tuch geschlüpft, sondern unter den Rand eines niedrigen Zelts.
    Und er sah

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