Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
Vom Netzwerk:
geschehen: Er hörte Tiergeräusch, drehte zum Wind sich. Und das Messer im Griff, ging er gegen den Wind, duckte vorbei am Altar. Denn er hatte Berglöwen gehört. Und der Wind blies ihn an ins Gesicht. Und im Schein des Monds sah Joseph zwei Löwen, kaum einen Steinwurf entfernt. Und sie kauerten sich hin über der Felsspalte, aus deren Mitte es finsterte, als hüteten sie dort, sich lagernd über dem Einlaß, das Tor Finsternis.
    Da kam der Reiter den Pfad herauf, kam geritten auf seinem Pferd, der Sohn Amaleks auf dem Pferd des Sohns Amaleks.
    Und Joseph dachte überdenkend die Bilder: Und was wäre geschehen, wäre der Sohn Amaleks nicht gekommen, wäre er nicht ›hingegeben für dich‹ – wie die Alte zu mir gesprochen? Wäre der Reiter später gekommen, nie gekommen, nicht dort vorbeigekommen, an jener Stelle beim Felsspalt, nicht in jenem Moment heraufgeritten, der Reiter, wie hätt ich gehandelt?
    Wie hätte ich gehandelt ohne jenen, Sohn Amaleks, da geschichtet schon lagen die Scheite, da gebunden mein Sohn, handumgriffen das Opfermesser?
    Wäre der, den sie hieß ›meinen Sohn, Sohn Amaleks‹, wäre der nicht gekommen zur Stunde, so hätten die Löwen nicht Witterung genommen, nichts hätte das Opfer, das Gott von mir wollte, durchkreuzt.
    Denn erst als ich sah, wie sie rissen vom Pferd den Reiter – den sie nennt ihren Sohn, Sohn Amaleks –, sah, wie er fiel der Gewalt und zerrissen war vor meinen Augen, da war aufgehoben mein Opfer. War die Schlachtung des Sohnes durchkreuzt.
    So sah’s und so dachte es Joseph. Wie ihm aber nicht mehr unterscheidbar waren Tage und Nächte – denn wo immer der Sturm mächtig war, da hielt an die Nacht –, da griffen ineinander Wachen und Traum und hielten, wohin Josephs Auge auch fiel, einander umschlungen.
    Joseph aber erwachte im Sturm, der war schwächer geworden, und sah das Trüblicht der Sonne.
    Und er grub sich hervor aus dem Sand, der auf ihm geschüttet lag. Da war’s, als hätte die Alte das Zelt abgebrochen, sei weitergezogen, denn es fehlte von ihr jede Spur.
    Da fiel ab von Joseph der Sand, der absank streichend den Rücken, als sei’s die Hand noch der Alten, die bestrich seine Wunde. Und Joseph wußte, wofür. Und hörte noch ihre Worte, als habe sie eben zu ihm gesprochen: ›Dich zu trösten hin durch den Tod.‹
    Da dürstete Joseph.
    Und er erinnerte sich der Worte der Alten, als habe sie eben zu ihm gesprochen:
    ›Hingab ich meinen Sohn, der zerrissen wurde für dich. Vergossen sein Blut fürs Blut deines Sohnes. Und noch dürstet dich? Du trankst davon, aber begreifst nicht.‹
    Und Joseph suchte zu verstehen ihr Wort. Und begriff es nicht.
    So irrte Joseph fort durch den Sturm, bis das Licht sich nochmals verschloß.
    Kapitel 60. Die Tränen
    Da blieb Josephs Durst ungestillt. Mit jedem Schritt aber drohten die Kräfte ihn zu verlassen.
    Und Joseph hielt und kauerte sich hin auf den Sand.
    Und als nach Zeit der Lärm des Sturms sank um ein Maß und einfiel wieder das Trüblicht, da hörte Joseph Stimmen.
    Und bald darauf geht einer rufend an Joseph vorbei.
    Und hätte fast gestreift Joseph, der da lag hingekauert im Sand.
    Und hätte ihn sehen müssen, ja, Joseph schien: sah ihn.
    Denn zwar ging der Mann vornübergebeugt im Sturm, schränkend die Hand vors Gesicht, aber Joseph glaubte, er sah ihn hinabsehen, ohne dem Blick Josephs auszuweichen. Denn knapp – aber ohne Joseph, der kauernd da lag, zu berühren – schritt der Mann an Joseph vorbei.
    Und als Joseph sich wandte, ihm nachzusehen, wohin er geht und nach wem er ruft, erkannte Joseph drüben Kamele. Die ruhten auf Sand, und Diener saßen bei ihnen. Und die Diener sprangen auf, als der Mann näher kam.
    Und Joseph hörte ihn anherrschen die Diener, und er hörte das Japsen und Bellen von Hunden im Lager um ihn her.
    Da erkannte Joseph, daß er im Dunkel des Sturms geraten war zwischen Fremde, eine Händlerkarawane, die, in kleinen Gruppen verstreut, um ihn her lagerte.
    Und er fand Trost in den Stimmen, die er hörte, hingehen und wider, herbeigetragen vom Wind.
    Und war doch in Furcht. Denn er sprach im Innern bei sich, wie alle, die dürsten:
    ›Was, wenn sie mich in ihrer Mitte entdecken? Werden sie nicht glauben, ich sei ein Dieb, der sich zum Raub heimlich zwischen sie stahl?‹
    Und weiter sprach er im Innern bei sich:
    ›Aber sähen sie nicht, daß ich matt bin und meine kraftlosen Arme nichts rauben, die Beine nichts mehr davontragen können? Und sähen sie nicht, daß

Weitere Kostenlose Bücher