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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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nach Wasser, daß Mose, mein Bruder, fürchtete, sie würden ihn steinigen?
    Wer denn?
    Wenn nicht der Herr selbst?
    Der aber spricht nun zu Mose: „Austilgen will Ich das Volk Amaleks, ausrotten mit Haut und Haar.“
    So dachte Miriam bei sich und dachte so gehend durchs Schlachtfeld, hin durch die schwertzerfressenen Toten des Tages, Tausende Israels unter Tausenden Amaleks.
    Und Miriam war erdrückt vom Geschrei. Denn ausstießen die Frauen Schreie und weinten, wo sie entdeckten die Männer in leblosen Haufen.
    Und als Miriam sie tränkte am Abend, heraufrief das Wasser des Brunnens, da verschloß sie in sich, wer’s ihr gegeben und woraus es bestand und worauf er gegründet war, dieser ihr wandernder Brunnen.
    Denn Miriam war in Furcht, sie würden sie steinigen, ihr die Schuld geben am Angriff Amaleks.
    Da, nachts noch im Zelt, hört sie herandringen von fern Schreien und Weinen der Amalekiterfrauen. Denn ein Überlebender der Schlacht hatte Frauen und Kinder Stunden später erreicht und meldete ihnen: „Wir liegen bei Raphidim. Zieht davon, keiner kehrt mehr zurück. Unser Brunnen ist leer.“
    So glaubte Miriam es zu hören, so drang es von fern in ihr Ohr, nachts noch im Zelt nach der Schlacht. Und sie litt daran, denn sie fühlte sich ohne Schuld schuldig und war erdrückt von der Last.‹
    Da schwieg der Fremde, der gesprochen hatte, als spreche er zu Joseph.
    Und Joseph sah die Worte, die er belauscht, sah vor sich den Brunnen leer, sah es dringen empor von unten herauf, sah die Wasser schwarz quillen und füllen den Schacht mit Wassern, die schossen höher empor, sah’s rachengleich schnappen nach ihm, der hinabsah – jetzt verschlungen vom Meer –, und sah’s treiben empor durch das Dunkel, sah bleich glänzen einen riesigen Baumstamm, der trieb auf ihn zu.
    Da wußte Joseph: Ich kenne das Wasser des Brunnens der Miriam, des Brunnens Esaus, des Brunnens der Tränen Gottes, von denen jener erzählte, dem ich gelauscht, als spreche er zu mir. Denn es treibt verloren darin zu mir, im hohlen Pfosten des Baums – ich höre sein Pochen –, mein erster Sohn im Meer unterm Meer.
    Und doch schien es Joseph – nachsehend den Worten jenes, dem er gelauscht, nachsehend dem Bleichglänzen des Baums, den er wiedergesehn im Dunkel der Wasser –, als hätt er geschaut einen Splitter vom Glanz des Tages im Brunnen der längsten Nacht.
    Und Joseph pochte das Herz, und ihn ergriff erneut großer Durst, und ihn dürstete. Da zog er zusammen all seine Kraft und stand auf und stellte sich aufrecht.
    Niemand aber bemerkte ihn, weder der, der geredet hatte, als spreche er zu ihm, noch der, der auf Josephs Seite des Feuers gelegen.
    Da war es abermals, als sei Joseph nicht.
    Joseph aber ging gebückt hinüber zu den Kamelen und suchte am Gepäck, das lagerte dort. Und keiner der Diener, die es umsaßen, achtete seiner.
    Und er griff sich einen der Wasserschläuche. Und ihm schien, als höre er Wasser darin. Ja, er sah es fließen heraus und fühlte den Wasserstrahl, der ihn ansprang.
    Aber konnte nichts trinken.
    Denn Wasser floß über die Lippen, erfüllte den Mund und rann hinab an der Haut, rann versiegend ins Tuch bei der Hüfte. Joseph aber konnte nichts schlucken, vermochte keinen Tropfen des Wassers zu zwingen kehlabwärts nach innen hinab.
    Denn wie seine Stimme, so verschlossen sich Kehle und Mund.
    Da zog Joseph dürstend davon. Und abermals verschwand er im Sturm.
    Kapitel 62. Der Nachen
    Wie lange Joseph gegangen war, weiß er nicht mehr. Da erwacht er im Schatten eines Steins.
    Denn hinter den Stein hatte Joseph sich gelegt, Schutz suchend vor der Wucht des Winds.
    Und als er erwachte, waren gestillt die Winde.
    Da in der Stille verließ Joseph den Schatten, denn ihn dürstete.
    Und er kroch hinaus unter die Sonne, die brannte herab. Und Joseph hörte ein Rauschen von Wassern, hörte sie kommen und löschend vergehn und roch salzige Luft.
    Da erklimmt er den Kamm des Hügels, der vor ihm lag, und sieht hinab auf das Meer.
    Und Joseph ging hin und trat in die Wellen, die wuschen und kühlten ihn.
    Und von Durst überwältigt trank er in ihnen, und gierig trank viel.
    Am Strand aber lag ein brüchiger Nachen.
    In dessen Boden fehlten zur Mitte drei Planken, und Wellen umspülten den Bug bis hinauf an das Leck.
    Da ruhte Joseph sich aus, denn die Wand des Nachens gab Schatten.
    Und Joseph streckte sich hin, längs des Schattens des Nachens, daß an seinen Beinen, bis hinauf zu den Knien, leckten die Wellen.

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