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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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getrunken?
    Spricht ER nicht mir: ›Der Sohn hat den Vater getränkt. Sohnesblut fließt nun im Vater. Joseph ist Sohn geworden. Der Vater dem Blute nach Sohn‹?
    Und Joseph fürchtete sich vor dem Bild und vor seiner Deutung. Denn er schloß für sich und sprach im Innern bei sich: ›Es bedeutet, daß Gott das verweigerte Sohnopfer nun fordert von mir. Denn hatte ich IHM nicht zugerufen: „Nimm mich statt seiner!“‹
    Da erschien dem Joseph nochmals vor Augen das erste Auftreffen der Tropfen, die herabwärts ihn ansprangen im Traum.
    Und er fühlte wieder – als geschehe’s jetzt! – den Schmerz der sich ungewohnt dehnenden Sehnen und Stränge der Kiefer, als er weit auftat den Traummund, im Bogen aufzunehmen das wirkliche Blut. Und fühlte Freude schier Irrsinns, als Leben – alle Hindernisse durchbrennend – hinabstieg in ihn, Stufe um Stufe sich ausstach den Menschen, ihn schachtend, brennend und schächtend, ihn zersplitternd umzuschaffen inwendig.
    Da wieder bezweifelte Joseph das Nachgedachte. Denn im Innern sprach er bei sich: ›Warum schüf ER mich neu erst, nur das Opfer zu tauschen? Was trägt ER im Sinn, mich auf dem Grund noch des Grabens neu auszustechen, mich in tiefer Dunkelheit zu betäuben mit Freude?‹
    Und wieder wurde Joseph bewußt der Schrecken des Bildes, das er am eigenen Leib erfahren. Und er fürchtete sich vor dem Traum und dachte: Ich soll wahnsinnig werden an IHM. Überm Blut, das ich IHM zu opfern mich weigerte, soll ich wahnsinnig werden. Denn ich Wahnsinniger nahm auf in mich , was ER gefordert hatte für sich. Und die Freude darüber ist Wahnsinn.
    Da war Joseph bedrückt und wandte sich ab und kehrte zurück, sich zu kauern unter dem Vorsprung der Felsen beim Tier.
    Und er fand es nicht mehr.
    Leer war es dort, nur felsige Wandung.
    Kein Nacken, der sich wandte nach ihm. Und nicht mehr die beharrten auf ihm, die Augen.
    So daß nichts blieb als der Traum. Nichts blieb als das gerade Bedachte. Nichts blieb, als darauf zu beharren.
    Da sah Joseph es an nochmals. Sah, als sehe er mit Augen, was gerade geschehen und woraus er im Regen erwacht war. Sah das Bild, Bildersturz, stürzen auf ihn herab.
    Sah, wie er trank.
    Und hinsehend streckte er vor sich die Arme. Und fühlte Kraft in den Gliedern.
    Und bog krümmend die Hände zu Klammern, stark genug, nachzuziehen übers nasse Geröll den Körper am Steilhang.
    Da stieg er hinauf aus dem Graben.
    Der letzte Zug aber – denn über den Rand der Grube hinauf zog er sich –, der gelang Joseph zur Mitte der Nacht.

Fünftes Buch. Die Räuber
    Kapitel 66. Der Wächter
    Pochenden Herzens blieb Joseph erschöpft am Rande der Grube liegen.
    Nicht lang aber, da wurde er anderer gewahr, die umhin lagen und schliefen, unweit der Grube, aus der er gestiegen.
    Und er schlich an ihnen vorbei bergabwärts, weil ihm in dieser Richtung nur wenige der Schlafenden lagen im Weg.
    Kaum aber war er am letzten vorbei, der wie ein eingeschlafener Wächter abseits bei den Tieren ruhte, war Joseph gezwungen, zu halten und rasch sich zu ducken.
    Denn dort hatten Tiere seine Witterung aufgenommen und eines der Pferde hatte gewiehert.
    Da blieb Joseph reglos liegen und, nach einer Weile, langsam wandte den Kopf rückwärts der Wache zu, ob sie über der Unruhe des Pferds erwacht sei und, aufgestanden, schon suche.
    Und sah, wie die Wache da lag, immer noch hingestreckt, schlafend. Da war es die Lage des Mannes, wie er bäuchlings hingestreckt lag – die rechte Wange auf dem Mantel ruhend, den Rist des linken Fußes bis zur Kniekehle des gestreckten Beins hochgezogen, in die Wärme dort einzutauchen der Kehle des Knies –, die war’s, die Haltung des Schlafenden, die Joseph erinnerte an den Sohn.
    Denn so hatte er Jesus oft schlafend gefunden nächtens im Haus. Auch in der Nacht auf dem Berg, als er hintrat an ihn, mit dem Seil den schlafenden Sohn zum Opfer zu binden, lag der Sohn wie jetzt dieser, der Wächter.
    Da überkam Joseph, als er sah die ausgestreckte Gestalt des Wächters, der schlief, Sehnsucht, die Seinen wiederzusehen. Denn wie ein Zeichen wollte er lesen, was er so sah. Als habe der Sohn ihm gesandt ein Zeichen, ihn zu erinnern zurück. Ihn wie am Seil durch die Nacht zurückzuziehen nach Nazaret.
    Oder war’s anders zu lesen? Und der so Schlafende ihm Zeichen, daß niemals vergessen wäre das Binden des Sohnes zum Opfer? Sondern auf immer verstellt der Rückweg zum Sohn?
    Da wollte Joseph umgehen diesen Erinnerer, den Wächter. So

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