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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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Und ein leichter Wind strich über den Strand und fuhr kühlend auch um die Schattenseite des Nachens.
    Und Joseph lag, den Kopf gestützt auf die Hand, da bemerkte er eine Wespe.
    Die kroch über den Sand auf den Wellensaum zu.
    Und Joseph sah hin und sah, sie war alt und müde und konnte sich nicht mehr erheben vom Sand.
    Denn sobald sie die Flügel bewegte, sah Joseph sie zur Seite gedrückt werden vom Wind, der ergriff ihre Flügel. Und der Wind schleifte die Wespe am gleitenden Schaum der Brandung entlang.
    Kaum aber läßt sie der Wind, schon kriecht die Wespe von neuem aufs Wasser zu.
    Und Joseph denkt: In ihren sicheren Tod.
    Und jetzt, Joseph sieht’s, überschwemmt wird sie mitgerissen vom Schaumsaum der Welle, der gleitet herauf und hinweg über sie und zurück gleitet wieder.
    Da liegt sie, immer noch sichtbar, im nassen Sand, nur ein wenig nach unten verrückt. Kaum aufrichten kann sie sich, flügellos nach dem Rückzug der Welle, die ihr aussriß die Flügel.
    Aber sie putzt sich. Und nochmals geht stolpernd aufs Wasser zu.
    Da greift Joseph aus mit der Linken und hebt im Teller der Hand heraus das Maß Sand, darauf sie noch kriecht. Und versetzt es hinaufhin, sich gegenüber, zur Höhe der Schultern herauf.
    Und jetzt: sieht ihr zu, wie sie den Hügel, den der Handteller absetzte, hinabwärts absucht erneut.
    Da tappt sie wirr, an den Fuß des Hügels gelangt, weiter, seitlich zunächst, wird umgestoßen vom Wind, müht sich auf erneut und ändert die Richtung.
    Hinabhin, nochmals den Wellen entgegen.
    Das verfolgt Joseph.
    Und doch will er die Augen verschließen.
    Übelkeit überkommt ihn und zustechend: Durst. Und Schmerzen packen die Eingeweide.
    Da hört er im letzten Hinsehen noch Flügelrauschen im Rauschen des Meers, sieht die Wespe des Stammbaumtraums auffliegen über den Scherben.
    Und Joseph kriecht aus dem Schatten des Nachens, unstet, auf Knie und Hände gestützt. Schleppt sich hin richtungslos, windgestoßen.
    Bis er einhält und, geschüttelt am ganzen Körper, sich am Fuße des Hügels erbricht.
    Kapitel 63. Die Augen
    Zur Nacht hin, gegen Winter, im Gebirge Samariens war’s, da stürzte Joseph vom Weg. Und er überschlug sich im Fall, fiel den Steilhang tief abwärts.
    Auf dem Grund eines Grabens erwacht er frierend im Dunkeln. Richtet mühsam sich auf, noch kann er gehen.
    Da stößt er tastend auf Knochen.
    Seine Augen, kaum ans Dunkel gewöhnt, erkennen Gerippe, Reste zerschlagener Menschenschädel und Tierskelette.
    Da sucht Joseph den Hang zu erklimmen zurück.
    Die Finger aber, kältestarr, biegen sich nicht mehr zur Klammer, nachzuziehen den Körper.
    Da läßt Joseph ab und sucht längs der Felswand, dem Hang gegenüber, auf dem Grunde des Grabens nach Höhlung, nach Schutz vor der Kälte.
    Und wie er noch sucht, findet er, unterm Vorsprung der Felsen, den Leib einer Kuh. Und Joseph sah, vom Fall erschlagen, war sie noch unverwest.
    Da strich er über ihr kaltes Fell bis hinab zu den Hinterbeinen. Die hatte sie längs des massigen Körpers gelagert, als habe sie sich verendend hierher geschleppt, fügsam den Leib in die Höhlung gewichtet, auf ihren Tod zu warten.
    Und Joseph stieg hinter sie und schob und stieß und zwängte sich ein zwischen Kuhleib und Wandung des Felsens. Und als er glaubte, darin genügend Schutz vor der Kälte gefunden zu haben, schlief er ein.
    Denn noch im Einschlafen fühlte er, daß der Platz, in den er sich hatte gedrängt, ihn wärmte. Und fand aufgehoben das kleine Maß Wärme, das sein erschöpfter Körper gab von sich, aufgehoben im Fell des Tiers, das die Wärme ihm aufhob und wiedergab, als sei Joseph vom Fell der Kuh gänzlich umnäht.
    Und ihm wurde so warm in der Enge, daß er erwachte.
    Da war es Morgen.
    Und er fand, als er sich zwischen Stein und Tierleib hervorschob, halb tastend, halb sehend: den Nacken der Kuh rechtshin verbogen.
    Da erschrak Joseph und hastig erhob sich. Und sah, daß die Kuh seitwärts bog ihren Nacken, ihr Kopf rückwärtshin nach ihm suchte.
    Joseph aber, als träume ihm noch, stellte sich hin vor das Tier.
    Und sah, daß der Nacken der Kuh sich streckte und ihr Kopf ihm folgte, während er sie umging.
    Und fand, ob er vor ihr zur Linken hinschritt oder hin zur Rechten, daß die Kuh den Kopf schwenkte nach seinem Schritt und ihre Augen beharrten auf ihm.
    Und nicht vorzustellen die Freude, die Joseph durchfuhr, da er Augen gefunden, die ihn sahen also und beharrten auf ihm.
    Denn sie blieben ruhend auf ihm, wo

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