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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht nur keine brauchbaren Fotos zustande, sondern die Kamera war anschließend hinüber. Ich hatte sie mir von jemandem ausgeborgt und musste ihm den Schaden ersetzen.Was halb so schlimm war. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nämlich sowieso schon alle Aufnahmen von diesem Ort vernichtet – falls es mich nicht daran gehindert hätte.
    [Ich frage ihn, was er mit »es« meint. N. ignoriert die Frage, als hätte er mich nicht gehört.]
    Ich habe in ganz Maine und New Hampshire Bilder geschossen, meistens halte ich mich jedoch an ein eng umgrenztes Gebiet. Ich lebe in Castle Rock – oben am Aussichtspunkt -, aber ich bin in Harlow aufgewachsen, genau wie Sie. Schauen Sie mich nicht so überrascht an, Doc. Nachdem mein Hausarzt Sie mir empfohlen hat, habe ich nach Ihnen gegoogelt. Das macht doch heutzutage jeder.
    Jedenfalls, in diesem mittleren Teil von Maine sind meine besten Sachen entstanden: in Harlow, Motton, Chester’s Mill, St. Ives, Castle-St.-Ives, Canton, Lisbon Falls. Also immer an den Ufern des mächtigen Androscoggin entlang. Die Bilder von dort sehen irgendwie … echter aus. Der Kalender von 2005 ist ein gutes Beispiel. Nächstes Mal bringe ich Ihnen einen mit, dann können Sie sich selbst einen Eindruck verschaffen. Januar bis April und September bis Dezember sind alle in meiner Gegend aufgenommen. Mai bis August dagegen … mal sehen, ob ich es noch zusammenbringe... Old Orchard Beach... Pemaquid Point, der Leuchtturm natürlich … Harrison State Park … und Thunder Hole in Bar Harbor. Bei der Höhle dachte ich mir, dass ich was Besonderes hingekriegt habe, ich war ganz aufgeregt, doch als ich dann die Abzüge bekam, hat mich die Realität eingeholt. Es war einfach ein typischer Touristenschnappschuss. Gute Komposition zwar, aber na und? So was findet man in jedem Kalender aus dem Souvenirladen.
    Wollen Sie meine Meinung als Amateur hören? Ich finde, zur Fotografie gehört viel mehr Kunst, als die meisten Leute glauben. Wer ein Auge für Bildkomposition mitbringt – und dazu ein paar technische Kenntnisse, die man in jedem Fotografiekurs lernen kann -, lässt sich leicht zu dem Glauben verführen, dass sich ein hübscher Fleck so gut auf Zelluloid bannen lässt wie jeder andere, vor allem wenn man nur Landschaftsaufnahmen macht. Ob Harlow in Maine oder Sarasota in Florida – man muss nur den richtigen Filter aussuchen, zielen und knipsen. Aber so ist es nicht. Der Ort zählt in der Fotografie genauso wie beim Malen oder beim Schreiben von Storys und Gedichten. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber …
    [Langes Schweigen.]
    Doch, ich weiß es.Weil ein Künstler, und selbst so ein Amateur wie ich, seine Seele in seine Werke legt. Bei einigen Leuten, die vielleicht in ihrem Innersten Vagabunden sind, lässt sich die Seele transportieren. Aber bei mir reist sie anscheinend nicht einmal bis Bar Harbor. Die Bilder am Lauf des Androscoggin dagegen … die sprechen mich an. Und auch andere Leute. Der Drucker bei Windhover, mit dem ich immer zu tun habe, meinte sogar, dass ich mit meinen Kalendern bei einem New Yorker Verlag unterkommen könnte. Ich könnte damit Geld verdienen, statt sie auf meine Kosten drucken zu lassen. Aber das hat mich nie interessiert. Es war mir irgendwie zu … ich weiß nicht … öffentlich? Wichtigtuerisch? Keine Ahnung, irgendwie so was. Die Kalender sind eine kleine Sache, nur so unter Freunden. Außerdem habe ich einen Job. Ich bin damit zufrieden, wenn ich über Zahlen brüte. Aber ohne meine Bilder wäre mein Leben bestimmt trüber gewesen. Für mich ist es einfach schön zu wissen, dass sie bei ein paar Leuten in der Küche oder im Wohnzimmer hängen. Oder meinetwegen auch im blöden Windfang. Das Traurige ist bloß, dass ich seit den missglückten Aufnahmen im Ackerman’s Field fast keine Fotos mehr gemacht habe. Möglicherweise ist dieser Teil meines Lebens vorbei, und das hinterlässt schon eine große Lücke. Eine Lücke, durch die nachts der Wind pfeift und wimmert. Ein Wind, der ausfüllen möchte, was nicht mehr da ist. Doc, manchmal glaube ich, dass das Leben eine traurige, elende Angelegenheit ist.Wirklich.
    Auf jeden Fall, bei einem meiner Streifzüge im August stieß ich in Motton auf einen Feldweg, der mir noch nie aufgefallen war. Ich fuhr gerade ziellos durch die Gegend und hörte mir Musik im Radio an. Den Fluss hatte ich aus den Augen verloren, aber ich wusste, dass er nicht weit weg war, weil er diesen speziellen Geruch verströmt. Irgendwie feucht

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