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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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klar, dass das nicht reichte. Ich wusste, was ich zu tun hatte.
    Ich zwang mich, hinunter zu dem Ring aus Steinen zu treten. Noch nie war mir im Leben etwas so schwergefallen. Das Gras, das meine Hosenbeine streifte, klang wie eine Stimme: leise, scharf, protestierend. Und warnend, wie um mich fernzuhalten. Ein verseuchter Geruch hing in der Luft. Nach Krebsgeschwüren und vielleicht noch schlimmeren Dingen, nach Keimen, die es in unserer Welt nicht gibt. Meine Haut vibrierte, und ich hatte die Ahnung – ehrlich gesagt habe ich sie immer noch -, dass ein Schritt zwischen zwei der Felsen und hinein in den Kreis genügt hätte, damit sich meine Muskeln verflüssigen und mir von den Knochen tropfen. Ich hörte, wie sich der Wind, der dort manchmal herausbläst, in seinem eigenen kleinen Zyklon drehte. Und ich wusste, dass es gleich erscheinen würde. Das Wesen mit dem Helmkopf.
    [Wieder weist er auf die Fetzen im Papierkorb.]
    Nicht mehr lang, und es würde hervortreten. Und wenn ich es aus so großer Nähe erblickte, musste ich unweigerlich den Verstand verlieren. Bestimmt würde ich in diesem Kreis meinem Ende entgegensehen, während ich Aufnahmen machte, die nur graue Wolken zeigen. Doch irgendetwas trieb mich vorwärts. Und als ich hinkam …
    [N. steht auf und geht behutsam um die Couch herum. Seine Schritte haben etwas Unheimliches an sich, sie sind bedächtig und zugleich tänzelnd wie die Schritte eines spielenden Kindes. Während er seine Kreise zieht, streckt er die Hand aus, um unsichtbare Steine zu berühren. Einer … zwei … drei … vier … fünf … sechs … sieben … acht. Denn acht ist eine Macht. Dann hält er inne und schaut mich an. Ich hatte schon viele Patienten, die in meiner Praxis eine Krise durchmachten, doch noch nie ist mir ein derart gequälter Blick begegnet. Was ich sehe, ist kein Irrsinn, sondern Grauen, keine Verwirrung, sondern Klarheit. Natürlich muss es eine Wahnvorstellung sein, aber ich bezweifle nicht, dass er sie vollkommen erfasst.
    »Sie haben Sie also berührt«, sage ich.]
    Ja, ich habe sie berührt, einen nach dem anderen. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich mit jedem Stein gespürt hätte, wie die Welt sicherer wird – fester, greifbarer . Das wäre nicht wahr. Ich spürte es bei jedem zweiten Stein. Nur die geraden Zahlen, verstehen Sie? Mit jedem Paar zog sich diese wirbelnde Finsternis ein wenig mehr zurück, und als ich beim achten Felsen angelangt war, verschwand sie endgültig. Das Gras innerhalb des Kreises war gelb und tot, aber die Dunkelheit war fort. Und irgendwo in der Ferne, so dass ich es gerade noch hören konnte, sang ein Vogel.
    Ich trat zurück. Inzwischen war die Sonne schon ganz herausgekommen, und der Geisterfluss über dem richtigen hatte sich völlig aufgelöst. Die Steine sahen wieder wie normale Steine aus. Acht Granitauswüchse auf einem Feld, die nicht einmal einen richtigen Kreis bildeten, wenn man nicht mit der Vorstellungskraft nachhalf. Und... ich spürte eine innere Spaltung. Mit einem Teil meines Verstandes wusste ich, dass das Ganze nur ein Produkt meiner Fantasie war, meiner irgendwie kranken Fantasie. Doch mit dem anderen Teil wusste ich, dass alles wahr war. Und dieser Teil begriff sogar, warum sich die Situation eine Zeit lang gebessert hatte.
    Es liegt nämlich an der Sonnenwende. Überall auf der Welt findet man die gleichen Muster – nicht nur in Stonehenge, sondern auch in Südamerika und Afrika, sogar in der Arktis! Und im mittleren Westen der USA. Selbst meine Tochter hat es erkannt, obwohl sie nichts darüber weiß. Sie hat von Kornkreisen gesprochen. In Wirklichkeit ist es in Stonehenge und an all den anderen Orten ein Kalender, ein Kalender, der nicht nur Tage und Monate angibt, sondern Zeiten größerer und geringerer Gefahr.
    Diese innere Spaltung hat mich förmlich zerrissen. Sie zerreißt mich immer noch. Seit diesem Tag war ich noch ein Dutzend Mal da draußen. Und am einundzwanzigsten … da habe ich doch den Termin für unsere Sitzung abgesagt, wissen Sie noch?
    [Natürlich erinnere ich mich noch, versichere ich ihm.]
    Ich war den ganzen Tag auf dem Ackerman’s Field, hab beobachtet und gezählt. Am einundzwanzigsten war nämlich die Sommersonnenwende. Der Tag der größten Gefahr. Die Wintersonnenwende im Dezember dagegen birgt die geringste Gefahr. Das war letztes Jahr so und wird dieses Jahr auch so sein. Es war schon immer so seit Anbeginn der Zeiten. In den kommenden Monaten – also mindestens bis zum

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