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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hatte ich es mir so einfach vorgestellt: Entweder ich geh da raus und vergleiche die Realität mit N.s Fantasie, oder ich gebe die Idee mit dem Artikel (beziehungsweise Buch) auf. Aber was ist die Realität? Wie komme ich zu der Behauptung, dass die mit Dr. B.s Sinnen wahrgenommene Welt »realer« ist als die, die der vor zwei Wochen verstorbene Buchprüfer N. registriert hat? Eigentlich lag die Antwort auf diese Frage auf der Hand. Dr. B. ist ein Mensch, der nicht Selbstmord begangen hat, der weder zählt, berührt noch ordnet, und der davon überzeugt ist, dass Zahlen, ob gerade oder ungerade, nur Zahlen sind. Dr. B. ist ein Mensch, der mit der Welt zurechtkommt. Buchprüfer N. dagegen war das letztlich nicht. Daher sollte Dr. B.s Wahrnehmung der Welt wohl auch brauchbarer sein als die des Buchprüfers N.
    Als ich dort angekommen war und die stille Kraft dieses Ortes spürte (schon am Anfang des Wegs, noch vor der Kette), dämmerte mir jedoch, dass ich vor einer viel simpleren Alternative stand: entweder auf diesem verlassenen Weg hinauf zum Ackerman’s Field marschieren oder auf dem Asphalt wieder zurück zum Auto gehen. Nach Hause fahren. Das mögliche Buch und den eher wahrscheinlichen Artikel vergessen. N. vergessen und zur Normalität zurückkehren, bevor seine Obsession zu meiner wurde.
    Aber, aber …
    Wegzufahren würde vielleicht (ich sage nur vielleicht ) bedeuten, dass ich irgendwo in einer tiefen Schicht meines Unbewussten, wo all die alten abergläubischen Vorstellungen hausen (und Hand in Hand mit den alten roten Trieben gehen), Ns. Auffassung akzeptiert hatte, dass es auf dem Ackerman’s Field eine dünne Stelle gibt, die von magischen Ringsteinen behütet wird, und dass ich durch mein Erscheinen dort wieder einen schrecklichen Prozess in Gang setzen könnte, einen schrecklichen Kampf, den N.s Selbstmord zum Stillstand gebracht hatte (zumindest vorübergehend). Hätte ich mich dann nicht (in diesem vergrabenen Teil meines Selbst, wo wir uns alle ähneln wie Ameisen, die in einem Bau unter der Erde schuften) schon mit der Vorstellung abgefunden, dass ich der nächste Hüter sein werde? Dass ich gerufen worden bin. Und wenn ich solchen Ideen nachgäbe …
    »Wäre mein Leben nicht mehr so wie bisher.« Ich redete laut vor mich hin. »Ich würde die Welt mit völlig anderen Augen betrachten.«
    Plötzlich war es also eine äußerst ernste Angelegenheit. Manchmal treiben wir wohl in Gegenden ab, wo die Entscheidungen nicht mehr einfach sind und schwerwiegende Konsequenzen für den Fall drohen, dass wir die falsche Wahl treffen. Konsequenzen, die unter Umständen sogar das Leben oder den Verstand bedrohen können.
    Und wenn es überhaupt keine Wahl gibt? Wenn es nur danach aussieht?
    Ich schob den Gedanken beiseite und quetschte mich an einem der Kettenpfosten vorbei. Meine Patienten und auch meine Kollegen (die aber wohl nur im Scherz) bezeichnen mich gelegentlich als Medizinmann, aber ich habe keine Lust, mich selbst so zu sehen – mich im Rasierspiegel zu betrachten und zu denken: Dieser Mensch hat sich in einem entscheidenden Moment nicht von seinen rationalen Gedanken leiten lassen, sondern vom Wahn eines toten Patienten.
    Der Weg war nicht mit Bäumen blockiert, aber ich bemerkte mehrere Birken und Kiefern, die auf der einen Seite im Graben lagen. Möglicherweise waren sie erst in diesem Jahr umgefallen und zur Seite gezerrt worden, vielleicht aber auch schon vor ein, zwei Jahren. Ich konnte das unmöglich erkennen. Ich bin kein Förster.
    Ich kam zu einem Hügel, an dessen Spitze der Wald zu beiden Seiten zurückwich und den Blick auf ein großes Stück Sommerhimmel freigab. Irgendwie war es, als würde ich N.s Kopf betreten. Auf halber Höhe hielt ich an, aber nicht etwa, weil ich außer Atem war, sondern um mich ein letztes Mal zu fragen, ob ich das wirklich wollte. Dann stapfte ich weiter.
    Wenn ich es nur nicht getan hätte.
    Das Feld lag vor mir, und die Aussicht nach Westen war genauso spektakulär, wie N. es beschrieben hatte – wirklich atemberaubend. Selbst jetzt, wo die Sonne hoch am Himmel stand und nicht als roter Ball über dem Horizont hing.Auch die Felsen waren da, ungefähr vierzig Schritte unterhalb der Hügelkuppe. Und ja, sie bilden tatsächlich eine Art Rund, wenngleich bei weitem nicht so augenfällig wie die Kreisform von Stonehenge. Ich zählte sie. Es waren acht, genau wie N. es berichtet hatte.
    (Nur dass er manchmal auch von sieben gesprochen hat.)
    Das Gras innerhalb

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