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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Herbst – habe ich einen Haufen Arbeit vor mir. Am einundzwanzigsten … ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie entsetzlich es da draußen war. Immer wieder wollte sich der achte Stein schimmernd in Nichts auflösen. Es war unglaublich schwer, ihn durch Konzentration zurück in die Welt zu holen. Die Dunkelheit verdichtete sich und wich wieder zurück … verdichtete sich und wich wieder zurück … wie die Gezeiten. Einmal nickte ich kurz ein, und als ich hochfuhr, starrte mich ein unmenschliches Auge an – ein abscheuliches dreigelapptes Auge. Ich schrie, lief aber nicht weg. Weil die ganze Welt von mir abhing. Sie hing von mir ab und wusste es nicht einmal. Statt zu fliehen, hob ich die Kamera vors Gesicht und blickte durch den Sucher. Acht Steine. Kein Auge. Doch danach war ich hellwach.
    Schließlich verfestigte sich der Kreis, und ich wusste, dass ich gehen konnte. Zumindest an diesem Tag wurde ich nicht mehr gebraucht. Inzwischen senkte sich die Sonne schon herab, wie damals am ersten Abend: ein Feuerball über dem Horizont, der den Androscoggin in eine blutende Schlange verwandelte.
    Und Doktor – ob es nun real ist oder wahnhaft, die Arbeit ist in jedem Fall verdammt schwer. Und die Verantwortung! Ich bin so müde. Wie war das mit dem Gewicht der Welt auf den Schultern …?
    [Er legt sich wieder auf die Couch. Er ist ein massiger Mann, doch jetzt wirkt er klein und geschrumpft. Auf einmal lächelt er.]
    Wenigstens kann ich mich im Winter ein bisschen ausruhen. Wenn ich es bis dahin noch durchhalte. Und wissen Sie was? Ich glaube, das war’s dann mit uns beiden.Wie heißt es immer im Radio? »Damit ist unser Programm beendet.« Obwohl … wer weiß? Vielleicht sehen Sie mich nochmal. Oder hören zumindest von mir.
    [Ich versichere ihm, dass wir im Gegenteil noch viel Arbeit vor uns haben. Er trage tatsächlich eine Last auf den Schultern: einen unsichtbaren, acht Zentner schweren Gorilla, den wir gemeinsam dazu überreden müssten, dass er heruntersteige. Wir könnten es schaffen, aber es werde einige Zeit dauern. All das erkläre ich ihm und schreibe ihm zwei Rezepte auf, doch tief im Innersten weiß ich, dass er es ernst meint. Er ist am Ende. Auch wenn er die Rezepte entgegennimmt, er ist am Ende. Möglicherweise nur mit mir; vielleicht aber auch mit dem Leben selbst.]
    Danke, Doktor. Für alles, fürs Zuhören . Und die da …
    [Er deutet auf das sorgfältige Arrangement auf dem Tisch.]
    Ich an Ihrer Stelle würde die Sachen nicht verrutschen.
    [Ich reiche ihm einen Terminzettel, den er gewissenhaft in die Tasche steckt. Und als er noch daraufklopft, wie um sich zu vergewissern, denke ich, dass ich mich vielleicht getäuscht habe und dass ich ihn doch am 5. Juli sehen werde. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich täusche. Ich habe N. ins Herz geschlossen, und ich möchte nicht, dass er für immer in diesen Steinkreis tritt. Auch wenn diese Felsen nur in seinem Kopf existieren, heißt das nicht, dass keine reale Gefahr von ihnen ausgeht.]
    [Ende der letzten Sitzung]

4. Dr. Bonsaints Manuskript (Fragment)
    5. JULI 2007
     
    Als ich die Todesanzeige las, rief ich bei ihm zu Hause an. Seine Tochter C., die hier in Maine studiert, war am Apparat. Sie wirkte erstaunlich gefasst und sagte, dass sie eigentlich nicht überrascht sei. Sie erzählte mir, sie sei als Erste in N.s Haus in Portland eingetroffen (im Sommer arbeite sie in Camden, das nicht so weit weg liegt), im Hintergrund konnte ich jedoch noch weitere Stimmen hören. Gut so. Es gibt viele Gründe, die für die Familie sprechen, doch ihre wesentliche Funktion ist vielleicht das Zusammenhalten beim Tod eines Mitglieds. Besonders wichtig ist dieses Gemeinschaftsgefühl bei gewaltsamen und plötzlichen Todesfällen – das heißt bei Mord oder Selbstmord.
    Sie wusste, wer ich war, und sprach ganz offen mit mir. Ja, es sei Selbstmord gewesen. Mit dem Auto. In der Garage. Sorgfältig in die Türritzen gestopfte Handtücher. Bestimmt eine gerade Anzahl, vermute ich. Zehn oder zwanzig – beides laut N. gute Zahlen. Dreißig wäre nicht so gut, aber haben Leute – vor allem alleinstehende Männer – überhaupt dreißig Handtücher im Haus? Kann ich mir nicht vorstellen. Bei mir ist es jedenfalls nicht so.
    Es werde eine Untersuchung geben, erzählte sie mir. Bestimmt wird man Medikamente – die, die ich ihm verschrieben habe – in seinem Blutkreislauf feststellen, aber wahrscheinlich keine tödlichen Dosen. Nicht dass es eine Rolle spielen würde.

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