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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich nichts.«
    Ich stellte ihm drei weitere Fragen, bevor er mich zum letzten Mal absetzte und aus meinem Leben verschwand. Ich erwartete nicht, dass er sie beantwortete, aber er tat es.
    »Die Leute, die ich küsse – gehen die dann zu anderen Leuten? Und küssen ihnen die Leiden weg?«
    »Manche tun es«, sagte er. »Darauf baut es auf. Andere können es nicht.« Er zuckte die Achseln. »Oder wollen nicht.« Wieder das Achselzucken. »Kommt aufs Gleiche raus.«
    »Kennen Sie ein kleines Mädchen namens Ayana? Sollte mittlerweile allerdings ein großes Mädchen sein.«
    »Sie ist tot.«
    Mir wurde das Herz schwer, aber nicht allzu sehr.Vermutlich hatte ich es bereits gewusst. Ich musste wieder an das kleine Mädchen im Rollstuhl denken.
    »Sie hat meinen Vater geküsst«, sagte ich. »Mich hat sie nur berührt.Warum war ich dann derjenige?«
    »Weil Sie es waren«, sagte er und bog in meine Anfahrt ein. »So, da wären wir.«
    Mir kam ein Gedanke. Ein Gedanke, der mir, Gott weiß, warum, ganz gut erschien. »Besuchen Sie uns doch zu Weihnachten«, sagte ich. »Kommen Sie zum Weihnachtsessen. Es gibt reichlich. Ich werde Ruth erzählen, dass Sie mein Cousin aus New Mexico sind.« Ich hatte ihr nämlich nie von dem Ex-Marine erzählt. Die Sache mit meinem Vater reichte ihr. War für sie eigentlich schon zu viel.
    Der Ex-Marine lächelte. Wahrscheinlich war es nicht das einzige Mal, dass er lächelte, aber das einzige Mal, an das ich mich erinnere. »Denke, das werde ich wohl ausfallen lassen, Kumpel.Trotzdem besten Dank. Ich feiere Weihnachten nicht. Ich bin Atheist.«
     
    Im Grunde war es das wohl, denke ich – außer dass ich noch Trudy küsste. Ich erzählte bereits, dass sie gaga wurde, nicht wahr? Alzheimer. Ralph hatte für sie finanziell gut vorgesorgt, und ihre Kinder kümmerten sich darum, dass sie in ein nettes Heim kam, als sie nicht mehr zu Hause wohnen konnte. Ruth und ich besuchten sie, bis Ruth beim Anflug auf den Denver International ihrem Herzinfarkt erlag. Kurz darauf besuchte ich Trudy allein, weil ich einsam und traurig war und irgendwie die alten Zeiten wiederaufleben lassen wollte. Als ich jedoch sah, was aus Trudy geworden war – statt mich anzusehen, starrte sie aus dem Fenster und kaute auf der Unterlippe herum, während ihr der Speichel aus den Mundwinkeln tropfte -, machte es das alles nur noch schlimmer. Als würde man in seine Heimatstadt zurückkehren, weil man sich das Haus seiner Kindheit ansehen wollte, und dort nur noch ein leeres Grundstück vorfinden.
    Bevor ich ging, küsste ich sie auf den Mundwinkel, aber natürlich geschah nichts. Ein Wunder ohne einen Wundertätigen ist nichts wert. Meine Zeit für Wunder war vorbei. Außer spätnachts, wenn ich nicht schlafen kann. Dann gehe ich nach unten und kann mir so ziemlich jeden Film ansehen, den ich will. Sogar Sexstreifen. Ich hab nämlich eine Satellitenschüssel und ein TV-Paket, das sich Global Movies nennt. Ich könnte sogar die Pirates sehen, wenn ich das MLB-Paket dazubestellen würde. Aber ich habe nur ein begrenztes Einkommen, es mangelt mir zwar an nichts, trotzdem muss ich auf meine Ausgaben achten. Ich kann über die Pirates auch im Internet lesen. All diese Filme sind für mich Wunder genug.
     
    AUS DEM AMERIKANISCHEN VON KARL-HEINZ EBNET

IN DER KLEMME
    Curtis Johnson fuhr jeden Morgen fünf Meilen mit dem Fahrrad. Nach Betsys Tod hatte er eine Weile damit aufgehört, aber wenn er morgens keine Bewegung bekam, wurde er nur noch schwermütiger. Also fing er wieder damit an. Mit dem einzigen Unterschied, dass er jetzt keinen Fahrradhelm mehr trug. Er radelte zweieinhalb Meilen den Gulf Boulevard entlang, wendete und radelte wieder zurück. Immer auf dem Radweg. Ihm mochte gleichgültig sein, ob er lebte oder starb, aber er hielt sich an die Verkehrsregeln.
    Der Gulf Boulevard war die einzige Straße auf Turtle Island. Sie führte an zahlreichen Millionärshäusern vorbei. Curtis schenkte ihnen keine Beachtung. Schließlich war er selbst Millionär. Sein Geld hatte er ganz altmodisch auf dem Aktienmarkt verdient. Außerdem hatte er mit keinem der Leute, die in diesen Häusern wohnten, ein Problem. Ein Problem hatte er nur mit Tim Grunwald alias »Das Arschloch«, und Grunwald lebte in der anderen Richtung. Nicht auf dem letzten Turtle-Island-Grundstück vor dem Daylight Channel, sondern auf dem vorletzten. Wegen des letzten Grundstücks waren sie aneinandergeraten – unter anderem. Es war das größte Grundstück mit

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