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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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müssen.«
    »Ja, das werden Sie wohl.«
    »Werde ich Sie wiedersehen?«
    »Ja«, sagte er und ging in Richtung Krankenhausparkplatz davon. Er drehte sich nicht noch einmal zu mir um.
     
    1987 kam er wieder. Ruth war einkaufen, ich mähte den Rasen und hoffte, dass das dumpfe Pochen in meinem Hinterkopf nicht der Beginn einer Migräne war, obwohl ich wusste, dass es genau das war. Seit dem Jungen im Groves of Healing litt ich darunter. An ihn allerdings dachte ich kaum, wenn ich mit einem feuchten Tuch über den Augen in der Dunkelheit lag. Ich dachte an das kleine Mädchen.
    Diesmal gingen wir zu einer Frau im St. Jude. Als ich sie küsste, legte sie meine Hand an ihre linke Brust. Es war die eine, die sie noch hatte; die andere hatten die Ärzte ihr bereits abgenommen.
    »Ich liebe Sie, Mister«, sagte sie und weinte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Der Ex-Marine stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen breitbeinig in der Tür. Rührt-euch-Haltung.
    Jahre vergingen, bevor er wiederkam: Mitte Dezember 1997. Es war das letzte Mal. Damals litt ich unter Arthritis, worunter ich heute übrigens noch immer leide. Die Stoppeln auf dem Vierkantschädel des Ex-Marine waren fast alle grau geworden, die Falten im Gesicht und um die Mundwinkel herum waren so tief, dass er wie eine aus Holz geschnitzte Bauchrednerpuppe aussah. Er brachte mich zu einer Ausfahrt der Interstate 95 nördlich der Stadt, wo sich ein Unfall ereignet hatte. Ein Lieferwagen war mit einem Ford Escort kollidiert. Der Escort war ziemlich hinüber. Die Sanitäter hatten den Fahrer, einen Mann mittleren Alters, auf eine Trage geschnallt. Die Polizisten redeten mit dem uniformierten Lieferwagenfahrer, der ziemlich mitgenommen, aber offensichtlich unverletzt war.
    Die Sanitäter knallten die Tür des Krankenwagens zu, und der Ex-Marine sagte: »Jetzt! Schieben Sie Ihren Hintern rein.«
    Ich schob meinen ältlichen Hintern zum Heck des Krankenwagens. Der Ex-Marine stürzte nach vorn und rief wild gestikulierend: »Dort, dort! Ist das nicht ein medizinisches Armband?«
    Die Sanitäter drehten sich um; einer davon und einer der Polizisten, die mit dem Lieferwagenfahrer gesprochen hatten, gingen in die Richtung, in die der Ex-Marine deutete. Ich öffnete die Heckklappe des Krankenwagens und schwang mich geduckt zum Kopf des Escort-Fahrers. Gleichzeitig fasste ich nach der Taschenuhr, die mir mein Vater zur Hochzeit geschenkt hatte und die ich seitdem immer bei mir trug. Ihre feine Goldkette war an einer meiner Gürtelschlaufen befestigt. Es war keine Zeit, pingelig zu sein; ich riss sie einfach ab.
    Der Mann auf der Trage starrte mich aus der fahlen Dunkelheit an. Er hatte sich den Hals gebrochen. Aus seinem Nacken wölbte sich ein glänzender, von Haut überzogener Türgriff. »Ich kann die verdammten Zehen nicht bewegen«, sagte er.
    Ich küsste ihn auf den Mundwinkel (meine besondere Stelle, nehme ich an) und schlich rückwärts wieder hinaus. In diesem Moment packte mich einer der Sanitäter. »Was zum Teufel treiben Sie da?«, fragte er.
    Ich zeigte auf die Uhr, die jetzt neben der Trage lag. »Die hab ich im Gras gefunden. Ich dachte mir, er möchte sie vielleicht haben.« Bis der Escort-Fahrer in der Lage wäre, jemandem mitzuteilen, dass es nicht seine Uhr sei und die an der Innenseite des Deckels eingravierten Initialen ihm nichts sagten, wären wir längst wieder fort. »Haben Sie sein medizinisches Armband gefunden?«
    Der Sanitäter sah mich nur empört an. »War nur irgend so ein Chromteil«, sagte er. »Jetzt raus mit Ihnen.« Dann, weniger missmutig: »Danke. Aber die hätten Sie eigentlich auch behalten können.«
    Wohl wahr. Ich mochte diese Uhr. Aber... die Eingebung des Augenblicks.Was anderes war mir nicht eingefallen.
     
    »Sie haben Blut auf dem Handrücken«, sagte der Ex-Marine, als wir zu meinem Haus zurückfuhren. Wir befanden uns in seinem Wagen, einer unauffälligen Chevrolet-Limousine. Auf dem Rücksitz lag eine Hundeleine, und am Rückspiegel hing an einem silbernen Kettchen ein Christophorus-Medaillon. »Sie sollten es wegwaschen, wenn Sie zu Hause sind.«
    Ich versprach es.
    »Sie werden mich nicht mehr sehen«, sagte er.
    Ich musste daran denken, was die schwarze Frau damals zu Ayana gesagt hatte. Etwas, woran ich seit Jahren nicht gedacht hatte. »Sind meine Träume jetzt vorbei?«, fragte ich.
    Er wirkte verwirrt, dann zuckte er die Achseln. »Ihre Aufgabe ist vorbei«, sagte er. »Von Ihren Träumen weiß

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