Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
Pause. »Vielleicht verstehst du, was ich meine.«
Curtis glaubte es zu verstehen.Anscheinend hatte Grunwald sein Gespür für den Markt verloren. Und es schien ihm egal zu sein! Zu seiner Überraschung empfand Curtis so etwas wie Mitleid für das Arschloch. Diese schwermütige Stimme.
»Wir waren mal Freunde«, fuhr Grunwald fort. »Weißt du noch? Ich schon. Ich glaube nicht, dass wir jemals wieder Freunde sein können – dafür sind die Dinge wohl zu sehr aus dem Ruder gelaufen.Aber vielleicht können wir wieder Nachbarn werden. Nachbar.« Wieder eine dieser Pausen. »Wenn wir uns da draußen nicht sehen, sage ich meinem Anwalt Bescheid, dass er alles mit dir klären soll. Zu deinen Bedingungen. Aber …«
Stille. Curtis konnte hören, wie das Arschloch atmete. Er wartete. Inzwischen saß er am Küchentisch. Er war sich über seine Gefühle nicht so recht im Klaren.Vielleicht später. Momentan jedoch nicht.
»Aber ich möchte dir die Hand reichen und persönlich sagen, wie leid mir das wegen deinem verdammten Hund tut.« Curtis hörte einen erstickten Laut, ein Schluchzen vielleicht. Unglaublich! Dann ein Klicken, worauf ihm die elektronische Frauenstimme erklärte, dass er keine weiteren Nachrichten erhalten habe.
Curtis blieb lange im grellen Morgenlicht sitzen. Die Sonne Floridas war so warm, dass selbst die Klimaanlage nicht dagegen ankam, nicht einmal um diese frühe Stunde. Dann ging er in sein Arbeitszimmer hinüber. Die Börse hatte geöffnet; die Zahlen krochen endlos über den Bildschirm. Ihm wurde klar, dass sie ihm nichts bedeuteten. Er ließ den Computer an, schrieb jedoch eine kurze Nachricht für Mrs.Wilson, bevor er das Haus verließ. Musste etwas erledigen.
Neben dem BMW in seiner Garage stand ein Motorroller, und ohne lange zu überlegen, beschloss er, ihn zu nehmen.Auf der anderen Seite der Brücke würde er über den Highway flitzen müssen, aber das wäre nicht das erste Mal.
Als er den Schlüssel des Motorrollers vom Haken nahm, klimperte der Schlüsselanhänger. Der Schmerz drohte ihn zu überwältigen. Wahrscheinlich würde er mit der Zeit nachlassen, aber im Augenblick war er ihm fast willkommen. Fast wie ein guter Freund.
Der ganze Ärger zwischen Curtis und Tim Grunwald hatte mit Ricky Vinton angefangen.Vinton war einmal alt und reich gewesen, aber mit der Zeit alt und senil geworden.Vor seinem Tod hatte er sein unerschlossenes Grundstück am Ende von Turtle Island an Curtis Johnson verkauft, und zwar für eins Komma fünf Millionen Dollar. Als Anzahlung hatte Curtis einen Barscheck in Höhe von hundertfünfzigtausend Dollar ausgestellt, und Vinton hatte im Gegenzug einen Übereignungsvertrag auf die Rückseite einer Reklamewurfsendung gekritzelt.
Curtis kam sich ein wenig gemein vor, dass er den alten Kerl so sehr über den Tisch gezogen hatte, aber schließlich würde Vinton – Eigentümer von Vinton Wire and Cable – nicht unbedingt am Hungertuch nagen. Außerdem mochten anderthalb Millionen zwar ein lächerlich niedriger Preis für ein Grundstück in bester Lage an der Bucht sein, doch irrsinnig niedrig war er angesichts der derzeitigen Marktverhältnisse nicht.
Nun ja … irgendwie schon, aber er und der Alte kamen gut miteinander klar, und Curtis gehörte zu den Menschen, die der Meinung waren, im Krieg und in der Liebe sei alles erlaubt; und wer ordentlich Geld verdienen wollte, für den galt das auch.Vintons Haushälterin – dieselbe Mrs.Wilson, die sich auch um seinen Haushalt kümmerte – hatte die Unterschriften bezeugt. Im Nachhinein wurde Curtis klar, dass er es hätte besser wissen müssen, aber er war nun einmal sehr aufgeregt gewesen.
Ungefähr einen Monat später verkaufte Vinton das unerschlossene Grundstück an Tim Grunwald alias das Arschloch. Dieses Mal belief sich der Preis auf plausiblere fünf Komma sechs Millionen, und dieses Mal bekam Vinton eine Anzahlung in Höhe von einer halben Million – offenbar war er doch kein solcher Narr, sondern entwickelte kurz vor seinem Tod noch beträchtliche kriminelle Energien.
Ein Tagelöhner, der zufälligerweise schon für das Arschloch und für Vinton gearbeitet hatte, bezeugte die Unterschrift des Übereignungsvertrags. Ebenfalls eine ziemlich heikle Sache, aber wahrscheinlich war Grunwald genauso aufgeregt gewesen wie Curtis. Nur dass Curtis deswegen so aufgeregt war, weil er beabsichtigte, diesen Küstenabschnitt von Turtle Island so zu belassen, wie er war – sauber und ruhig. Ganz wie er ihm
Weitere Kostenlose Bücher