Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
Villa Arschloch zu schleichen. Curtis glaubte ihm kein Wort. Ein Einbrecher, der sein Geschäft verstand, würde mit dem Boot kommen, vom Golf her. Er war überzeugt, dass Grunwald über die Vinton-Geschichte verärgert war und den elektrischen Zaun nur deswegen errichtet hatte, um Curtis eins auszuwischen. Möglicherweise auch, um seinem geliebten Hund wehzutun. Ob er den geliebten Hund wirklich hatte umbringen wollen? Curtis glaubte, dass das eher eine nette Dreingabe gewesen war.
Er war keine Heulsuse, aber als er Betsy vor der Einäscherung die Hundemarke abgenommen hatte, waren ihm die Tränen gekommen.
Curtis verklagte das Arschloch auf den Kaufpreis des Hundes: zwölfhundert Dollar. Hätte er ihn auf zehn Millionen verklagen können – das entsprach nämlich so ungefähr dem Kummer, den er empfand, wenn er das Idiotenstöckchen auf dem Couchtisch liegen sah -, hätte er das augenblicklich getan. Aber sein Anwalt erklärte ihm, dass er damit in einem Zivilprozess nicht durchkommen würde. Dergleichen war Scheidungen vorbehalten, nicht Hunden. Er würde sich mit den zwölfhundert zufriedengeben müssen, und die wollte er auch.
Die Anwälte des Arschlochs entgegneten, der elektrische Zaun sei auf Grunwalds Seite errichtet worden, volle zehn Meter von der Grundstücksgrenze entfernt. So nahm die Schlacht – die zweite Schlacht – ihren Lauf. Inzwischen wütete sie seit acht Monaten. Curtis glaubte die Verzögerungstaktik der gegnerischen Anwälte zu durchschauen: Sie wussten, dass die Tatsachen für ihn sprachen. Er glaubte auch, dass ihre Weigerung, einem Vergleich zuzustimmen, oder Grunwalds Weigerung, einfach die zwölfhundert rauszurücken, nahelegte, dass Grunwald die ganze Angelegenheit ebenso persönlich nahm wie er. Die Anwälte kosteten eine Menge Geld … aber natürlich ging es schon lange nicht mehr nur um Geld.
Als er die Route 17 entlangfuhr, dachte Curtis, dass Grunwald völlig verrückt gewesen sein musste, hier bauen zu wollen – früher war das Weideland gewesen, und jetzt wuchs hier nur noch Gestrüpp und dürres Gras. Wenn er sich über diese unerwartete Wende des Schicksals doch nur mehr hätte freuen können! Bei einem derartigen Sieg sollte einem das Herz höher schlagen, aber das tat es nicht. Er wollte nichts anderes, als Grunwald einen Besuch abstatten und hören, was er wirklich vorzuschlagen hatte. Und wenn sein Vorschlag nicht allzu lächerlich war, wollte er diesen ganzen Mist hinter sich lassen. Natürlich würden dann die Kakerlaken – Vintons Verwandtschaft – das Grundstück bekommen, und es war gut möglich, dass sie ebenfalls auf die Idee verfielen, dort eine Wohnanlage zu errichten. Aber war das noch von Bedeutung? Eigentlich nicht.
Curtis hatte selbst genug Probleme, um die er sich kümmern musste, wenngleich sie eher emotionaler als ehelicher (Gott bewahre), finanzieller oder körperlicher Natur waren. Das hatte angefangen, nicht lange nachdem er Betsy steif und kalt auf dem Hof gefunden hatte. Andere Leute hätten diese Probleme vielleicht als Neurosen bezeichnet, aber Curtis zog es vor, von »Existenzangst« zu sprechen.
Sein derzeitiges Desinteresse am Aktienmarkt, der ihn fortwährend fasziniert hatte, seit er sechzehn war, war das offensichtlichste Anzeichen für diese Angst, wenn auch beileibe nicht das einzige. Er hatte angefangen,Treppenstufen zu zählen und seine Bewegungen beim Zähneputzen. Er konnte keine dunklen Hemden mehr tragen, zum ersten Mal seit der Highschool plagten ihn nämlich Schuppen. Abgestorbene Hautschuppen sammelten sich auf seiner Kopfhaut und rieselten auf die Schultern hinab. Wenn er sich mit den Zähnen eines Kamms über den Kopf kratzte, war ein grausiges Schneegestöber die Folge. Ihm war das hochgradig zuwider, aber er ertappte sich trotzdem immer wieder dabei, wenn er vor dem Computer saß oder telefonierte. Ein paarmal hatte er so lange gekratzt, bis er geblutet hatte.
Er konnte nicht mehr damit aufhören. Das tote weiße Zeug musste weg. Manchmal starrte er das Idiotenstöckchen auf dem Couchtisch an und dachte (natürlich) daran, wie glücklich Betsy gewesen war, wenn sie es ihm gebracht hatte. Menschenaugen strahlten nur ganz selten ein solches Glück aus, insbesondere wenn besagte Menschen gerade einer lästigen Pflicht nachkamen.
»Midlife-Crisis, ganz klar«, sagte Sammy, die Masseurin, die er einmal die Woche aufsuchte. »Sexueller Notstand, was?« Ihre Dienste bot sie ihm allerdings nicht an.
Trotzdem,
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