Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
auch nicht? Bestimmt hatte er das Arschloch schon mal lachen hören. Er wusste nicht mehr, wann, aber er bezweifelte es nicht.
Hinter Grunwald, gegenüber dem Wohnwagen und in der Nähe des Firmenwagens, mit dem Grunwald hier rausgefahren war, standen vier blaue Klohäuschen. Um sie herum wuchs Löwenzahn und anderes Unkraut. Abfließendes Wasser von den häufigen Junigewittern (dergleichen nachmittägliche Wutanfälle waren eine Spezialität für diese Küstengegend) hatte den Boden direkt vor ihnen weggespült und in einen tiefen Graben verwandelt. Fast wie ein Bach. Darin stand Wasser, die Oberfläche mit Staub und Pollen bedeckt, so dass sie fast wie ein Abbild des blauen Himmels aussah. Das Scheißhausquartett neigte sich nach vorn wie vom Frost emporgewuchtete alte Grabsteine. Hier musste ein ganz ordentlicher Bautrupp am Werk gewesen sein, es gab nämlich sogar noch ein fünftes Klohäuschen. Es war umgefallen und lag mit der Tür nach unten im Graben. Das war das i-Tüpfelchen, wie um noch einmal zu unterstreichen, dass es mit diesem Projekt – eine Verrücktheit von Anfang an – jetzt endgültig vorbei war.
Eine der Krähen erhob sich in die Lüfte und flatterte über den dunstigen blauen Himmel. Sie schien den beiden Männern etwas zuzukrächzen. Curtis wurde bewusst, dass er die Klohäuschen riechen konnte. Anscheinend waren sie schon eine ganze Weile nicht mehr ausgepumpt worden.
»Grunwald?«, sagte er noch einmal. Und dann, weil das offenbar nicht reichte: »Was kann ich für dich tun? Gibt es etwas, worüber wir sprechen müssen?«
»Na ja, Nachbar, mir kommt es nur darauf an, was ich für dich tun kann. Darum dreht sich alles.« Grunwald lachte abermals, verstummte aber sofort wieder. Da wusste Curtis, woher ihm dieses Lachen bekannt vorkam. Er hatte es auf seiner Mailbox gehört, am Ende der Nachricht des Arschlochs. Dann war es also doch kein unterdrücktes Schluchzen gewesen. Und der Kerl wirkte auch gar nicht krank – jedenfalls nicht nur. Er wirkte verrückt.
Natürlich ist er verrückt. Er hat alles verloren. Und du triffst dich hier draußen allein mit ihm. Nicht eben klug, alter Junge. Das hast du nicht gründlich durchdacht.
Nein. Seit Betsys Tod hatte er vieles nicht mehr ganz durchdacht. Es schien die Mühe einfach nicht wert zu sein. Aber dieses Mal hätte er sich die Zeit nehmen sollen.
Grunwald lächelte. Zumindest zeigte er die Zähne. »Mir ist aufgefallen, dass du deinen Helm nicht aufhattest, Nachbar.« Er schüttelte den Kopf und lächelte dabei immer noch dieses vergnügte Kranke-Leute-Lächeln.Allem Anschein nach hatte er sich schon eine ganze Weile nicht mehr gewaschen. »Jede Wette – wenn du verheiratet wärst, würde deine Frau dafür sorgen, dass du nicht solchen Scheiß baust.Aber Kerle wie du haben ja keine Frau. Sie haben Hunde!« Er zog es in die Länge, und es klang, als hätte er plötzlich einen texanischen Akzent: Huuuhnde.
»Leck mich! Ich hau ab«, sagte Curtis. Sein Herz raste, aber er glaubte nicht, dass ihm das anzuhören war. Hoffentlich nicht. Plötzlich war es ihm sehr wichtig, dass Grunwald nicht wusste, wie viel Angst er hatte. Er wandte sich um und wollte den Weg zurückgehen, den er gekommen war.
»Dachte ich mir doch, dass du wegen dem Vinton-Grundstück hier rauskommst«, sagte Grunwald. »Aber zur Sicherheit hab ich dir noch was von deinem Scheißköter vorgejammert. Ich habe ihn kläffen hören. Als er gegen den Zaun gerannt ist. Das Mistvieh befand sich auf meinem Grund und Boden.«
Curtis drehte sich wieder um. Er konnte nicht glauben, was er da hörte.
Das Arschloch nickte. Fettige Strähnen fielen ihm ins bleiche Gesicht. Er lächelte noch immer. »Ja«, sagte er. »Ich bin rübergegangen und hab ihn auf der Seite liegen sehen. Ein Lumpensack mit Augen. Ich habe zugeschaut, wie er verreckt ist.«
»Du hast gesagt, du wärst weg gewesen«, sagte Curtis. Für ihn hörte sich seine Stimme schwach an, wie eine Kinderstimme.
»Tja, Nachbar, da habe ich ganz offensichtlich gelogen. Ich bin früher als geplant vom Arzt nach Hause gekommen, ganz traurig darüber, dass ich ihm seinen Wunsch nicht erfüllen konnte. Dabei hat er sich solche Mühe gegeben, mich davon zu überzeugen, dass ich mich auf die Chemo einlasse. Und dann habe ich deinen Lumpenhund in seiner eigenen Kotze liegen sehen. Hat nach Luft geschnappt, und überall um ihn herum Fliegen. Da ist es mir gleich viel besser gegangen. ›Herrgott noch mal‹, hab ich mir da gedacht,
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