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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hatte, und das hatte ihn schon immer an Übungen gestört, die man nur um ihrer selbst willen machte. Dergleichen mochte die Muskeln trainieren und gut für die Gesundheit sein, aber während man sich abplagte, war es im Wesentlichen bedeutungslos. Wenn nicht sogar grundsätzlich. Bei einer solchen Übung ging es nur um das Nächstliegende – um eine hübsche Frau aus der Kulturredaktion irgendeiner Zeitschrift zum Beispiel, die einen bei einer Party ansprach und fragte, ob man abgenommen habe. Das sollte eine Motivation sein? Nicht im Entferntesten. Eine solche Möglichkeit war Sifkitz langfristig nicht Antrieb genug, so eitel (beziehungsweise geil) war er einfach nicht. Irgendwann würde ihn das alles langweilen, und dann würde er wieder in seine alten Gewohnheiten verfallen und Donuts in sich hineinstopfen. Nein, er musste für sich entscheiden, wo die Straße lag und wohin sie führte. Dann konnte er so tun, als radelte er sie entlang. Diese Vorstellung gefiel ihm ausnehmend gut. Vielleicht war das albern – oder sogar verrückt -, aber Sifkitz fand sie einigermaßen aufregend. Und er musste ja niemandem erzählen, was er da trieb, oder? Nein, auf keinen Fall. Er könnte sich sogar einen Straßenatlas besorgen und eintragen, wie weit er jeden Tag kam.
    Eigentlich neigte er nicht zur Selbstbeobachtung.Aber als er mit seinem neuen Straßenatlas und einer Handvoll Landkarten unter dem Arm von Barnes & Noble nach Hause schlenderte, fragte er sich unwillkürlich, was ihn so sehr elektrisiert hatte. Ein mäßig hoher Cholesterinwert? Wohl kaum. Dr. Bradys in ernstem Ton vorgebrachte Erklärung, dass alles weit schwieriger werde, wenn er erst einmal die vierzig hinter sich gelassen habe? Das mochte eine Rolle gespielt haben, aber eben nur bedingt. War vielleicht einfach die Zeit gekommen, etwas zu verändern? Das klang schon plausibler.
    Trudy war an einer besonders gefräßigen Form von Blutkrebs gestorben, und Sifkitz war bei ihr im Krankenhaus gewesen, als sie ihren letzten Atemzug tat. Buchstäblich. Er konnte sich nur allzu gut erinnern, wie verzweifelt sie nach Luft geschnappt, wie ihre elende, ausgezehrte Brust sich ein letztes Mal gehoben hatte. Als hätte sie gewusst, dass es gleich vorbei war, dass danach nichts mehr kommen würde. Er würde nie vergessen, wie sie ausgeatmet hatte, das Geräusch dabei – shaaaah! Und dann hatte sie sich einfach nicht mehr gerührt. In gewisser Hinsicht hatte er während der letzten vier Jahre genauso das Atmen eingestellt. Nur dass jetzt ein neuer Wind wehte und seine Segel blähte.
    Aber da war noch etwas anderes, und das spielte eine weitaus größere Rolle: die Arbeiter, die Dr. Brady heraufbeschworen und denen Sifkitz selbst Namen gegeben hatte. Berkowitz, Whelan, Carlos und Freddy. Dr. Brady waren sie gleichgültig gewesen; für Dr. Brady waren die Stoffwechselarbeiter nur eine Metapher. Seine Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass Sifkitz sich etwas mehr Gedanken darüber machte, was in seinem Körper vor sich ging. In etwa so wie eine fürsorgliche Mutter, die ihrem Kind erklärte, dass die »kleinen Leute« die Haut an seinem aufgeschürften Knie heilen würden.
    Sifkitz dagegen …
    Es geht mir nicht um mich, dachte er, als er den Schlüssel zu seiner Haustür herauskramte. Darum ist es mir nie gegangen. Mir kommt es auf die Jungs an, die sich da unten einen abschuften, um die Straße freizuhalten. Warum sollen sie so schwer arbeiten? Wohin führt die Straße?
    Schließlich sagte er sich, dass sie nach Herkimer führte, ein kleiner Ort oben an der kanadischen Grenze. Auf der Karte des Bundesstaats entdeckte er eine schmale, namenlose Linie, die den ganzen weiten Weg von Poughkeepsie dorthin führte. Poughkeepsie lag südlich der Bundeshauptstadt. Die Straße mochte zwei-, vielleicht dreihundert Meilen lang sein. Er suchte eine etwas detailliertere Karte heraus und pinnte das Quadrat, auf dem die Straße ihren Anfang nahm, an die Wand neben sein eilig hingeworfenes … ja, wie sollte er es nennen? Wandgemälde traf es nicht. Ihm fiel »Projektion« ein, und dabei ließ er es bewenden.
    Als er an jenem Tag auf den Hometrainer stieg, stellte er sich vor, hinter ihm läge Poughkeepsie, und nicht der ausrangierte Fernseher aus 2-G, der Stapel Koffer aus 3-F, das mit einer Plane abgedeckte Dirt Bike aus 4-A. Poughkeepsie. Vor ihm erstreckte sich eine Landstraße, die auf der Übersichtskarte nur ein blauer Kringel war, dem deutlich genaueren Parzellierungsplan

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