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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Statt Bier trank er dabei Tomatensaft oder etwas ähnlich Gesundes. Er war müde, aber zufrieden. Außerdem ging er eine Stunde früher ins Bett, was ihm spürbar guttat.
    Das Herzstück dieser Tage war Teil drei, von vier bis sechs. Das waren die beiden Stunden, die er auf seinem Hometrainer verbrachte und den blauen Kringel von Poughkeepsie nach Herkimer entlangfuhr. Auf dem Parzellierungsplan wurde aus der Old Rhinebeck Road die Cascade Falls Road und dann die Woods Road; nördlich von Penniston hieß sie für eine Weile sogar »Dump Road«. Als ginge es dort zum Schuttabladeplatz. Er wusste noch, wie ihm fünfzehn Minuten auf dem Hometrainer anfangs wie eine Ewigkeit vorgekommen waren. Jetzt musste er sich manchmal zwingen, nach zwei Stunden aufzuhören. Schließlich besorgte er sich einen Wecker und stellte ihn auf 18 Uhr. Das Ding klingelte so laut, dass er … nun ja …
     
    Dass er davon wach wurde.
    Sifkitz konnte es kaum glauben, dass er da unten in seiner Nische einschlief, während er auf seinem Hometrainer beständige fünfzehn Meilen pro Stunde fuhr, aber die Alternative gefiel ihm nicht besonders, dann war er nämlich auf der Straße nach Herkimer ein wenig verrückt geworden. Oder in seinem Keller in SoHo, falls das irgendwen glücklicher machte. Dann litt er nämlich unter Wahnvorstellungen.
    An einem Abend, während er zwischen verschiedenen Programmen hin und her zappte, stieß er auf eine Sendung über Hypnose. Der Typ, der da interviewt wurde, ein gewisser Joe Saturn, der sich als Hypnotiseur ausgab, behauptete, dass jeder Mensch tagtäglich ein bestimmtes Maß an Selbsthypnose praktiziere. Morgens, so sagte er, würden wir sie einsetzen, um uns geistig auf die Arbeit vorzubereiten; wenn wir einen Roman lasen oder einen Film schauten, wurden wir dank ihr in die Lage versetzt, uns »in die Geschichte hineinzuversetzen«; und abends half sie uns einschlafen. An dem letzten Beispiel fand Joe Saturn allem Anschein nach besonders Gefallen, und er ließ sich lang und breit über die Verhaltensmuster aus, denen »erfolgreiche Schläfer« allabendlich folgten: Sie überprüften die Schlösser an Türen und Fenstern, schenkten sich ein Glas Wasser ein, beteten vielleicht oder meditierten in irgendeiner Form. Er verglich all das mit den Handbewegungen, die ein Hypnotiseur vor dem Gesicht eines Probanden machte, und mit dem, was er dabei sagte – wenn er zum Beispiel rückwärts von zehn bis null zählte oder dem Probanden versicherte, er oder sie würde »ganz müde«. Sifkitz machte sich all das dankbar zu eigen und kam auf der Stelle zu dem Schluss, dass er seine täglichen zwei Stunden auf dem Hometrainer in einem Zustand leichter Hypnose zubrachte.
    In der dritten Woche brachte er seine zwei Stunden nämlich nicht mehr vor der Wandprojektion in der Kellernische zu. In der dritten Woche war er tatsächlich auf der Straße nach Herkimer unterwegs.
    Völlig zufrieden mit sich und der Welt, strampelte er die Landstraße entlang, die durch den Wald führte, roch den Kiefernduft, hörte die Rufe der Krähen und das Knistern der Blätter, wenn er durch einen Laubhaufen fuhr. Aus dem Hometrainer wurde das Dreigang-Bonanzarad, auf das er mit zwölf so stolz gewesen war, damals in Manchester, New Hampshire. Beileibe nicht das einzige Rad, das er besessen hatte, bevor er mit siebzehn den Führerschein gemacht hatte, aber unbestreitbar das beste. Aus dem Plastikdosenhalter wurde ein unförmiger, aber ausgesprochen praktischer, selbst angeschweißter Metallring direkt über dem Fahrradkorb, und statt Red Bull befand sich eine Dose Lipton-Eistee darin. Ungesüßt.
    Auf der Straße nach Herkimer war es immer Ende Oktober und eine Stunde vor Sonnenuntergang. Obwohl Sifkitz stets zwei Stunden lang unterwegs war (das bestätigte der Wecker ebenso wie der Kilometerzähler), rührte sich die Sonne nie vom Fleck; sie stand stets im selben Quadranten, wenn ihr Licht durch das Blätterdach flimmerte, und die Schatten auf der Straße waren immer genau gleich lang, wenn ihm der Fahrtwind das Haar aus der Stirn blies.
    Manchmal, wenn eine Straße seinen Weg kreuzte, war ein Schild an einen Baum genagelt. CASCADE ROAD stand auf einem, HERKIMER 120 MEILEN auf einem anderen; die Entfernungsangabe war mit Einschusslöchern übersät. Die Schilder stimmten immer genau mit den Angaben des jeweiligen Parzellierungsplans überein, der gerade an die Wand der Nische gepinnt war. Sifkitz hatte bereits beschlossen, dass er nicht in

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