Sunshine Ranch 04 - Myriams letzte Chance
will, was schlägt er denn stattdessen vor? Oder ist es ihm vollkommen egal, was aus Charlie wird?“
„Er will, dass wir zur Polizei gehen. Und das werde ich heute Nachmittag auch tun. April muss endlich Vernunft annehmen. I’ve had enough .“ Sie befestigte Dakotas Halfter an der Stange vor dem Stall und verschwand in Richtung Sattelkammer, um das Putzzeug zu holen. Myriam bückte sich und streichelte Washington, der sich direkt vor ihren Füßen erleichtert auf den Boden plumpsen ließ.
„Hi“, hörte sie jemanden sagen. „Ich hoffe, ich störe nicht.“
Myriam hob den Kopf, aber dann erkannte sie Tom und fuhr hoch.
Tom. Von einer Sekunde auf die andere waren ihr das Lösegeld, der Entführer und Charlies Schicksal vollkommen egal. Auch Washington, der sich erwartungsvoll vom Bauch auf den Rücken drehte, interessierte sie nicht mehr. Sie sah nur noch Tom. Beruhige dich wieder, sagte ihr Verstand. Er ist nur wegen April hier.
Die Stimme der Vernunft dämpfte ihre Freude, aber nicht ihre Nervosität.
„Kein bisschen“, sagte sie.
Tom strahlte sie an. Meine Güte, er hatte ein Lächeln wie aus der Zahnpastawerbung.
„Hi, Tom!“ Sue kam mit dem Putzkorb aus der Sattelkammer. „Was gibt’s?“
„Nichts Besonderes. Ich schau nur so vorbei … Also, der Workshop am Wochenende hat mir echt Spaß gemacht. Und ich wollt mich mal erkundigen, wie teuer hier die Reitstunden sind.“
„Ich kann dir im Büro eine Preisliste geben.“
„Okay.“
„Aber falls du gerade knapp bei Kasse bist – ich hätte da ein spezielles Angebot für dich.“
„Echt? Was denn?“
„Ich suche dringend jemanden, der mir mit den Pferden hilft. Die Mädchen packen zwar überall mit an, aber es reicht nicht. Ohne Unterstützung schaffen Stefan und ich das alles nicht mehr.“
„Genial!“, sagte Tom. „Ich brauche ohnehin gerade einen Nebenjob. Wenn ich hier arbeiten und reiten könnte, das wär gigantisch.“
„ That’s great . Mir wächst im Moment alles über den Kopf. Zurzeit hab ich keinen Trainer und muss alle Reitstunden selbst geben …“
„Ich hab übrigens einen Trainerschein.“
„Du hast … what? “
„Einen Trainerschein. Wenn du willst, könnte ich Reitunterricht geben. Ich hab allerdings keine Wettkampfqualifikation. Nur Stufe C für Basissport.“
„Also könntest du die Anfänger unterrichten?“
Tom nickte.
„Warum sagst du das nicht gleich? Ich mach sofort einen Vertrag mit dir! That’s just wonderful .“ Sue klatschte begeistert in die Hände.
Tom lachte. „Finde ich auch. Ist wohl mein Glückstag.“
Dann begann sein Lächeln zu flackern wie das Licht einer Glühbirne, die kurz vor dem Durchbrennen war. Myriam folgte Toms Blick und sah, dass April soeben auf den Hof getreten war.
April sah super aus. Wenn sie wirklich die halbe Nacht wach gelegen und geheult hatte, wie Sue erzählt hatte, dann war das spurlos an ihr vorübergegangen. Ihre Wangen waren ein bisschen gerötet. Ihre Lippen wirkten etwas voller. Ihre Augen glänzten. Und ihr Haar war zerzaust. All das trug nur dazu bei, dass sie noch bezaubernder wirkte als sonst.
Myriam hatte heute Morgen einen Blick in den Spiegel geworfen, bevor sie das Haus verlassen hatte. Einen sehr kurzen Blick. Das hatte gereicht. Im Gegensatz zu April sah man ihr den fehlenden Schlaf sofort an. Sie war leichenblass, dunkle Schatten lagen unter ihren Augen und auf ihrer Stirn sprossen Pickel. Ihre Haare hingen fettig auf die Schultern, als ob sie sie drei Wochen lang nicht mehr gewaschen hätte.
Tom lächelte nicht mehr. Er starrte April mit offenem Mund an.
Er ist total verknallt in sie, dachte Myriam.
„Also Tom, dich schickt der Himmel“, meinte Sue, die von alldem nichts mitbekommen hatte. „Eigentlich kannst du gleich heute anfangen und die Kinderreitstunde übernehmen. Halb sechs. Schaffst du das?“
Tom nickte, ohne den Blick von April zu wenden.
„Myriam, du könntest mir auch einen Riesengefallen tun“, fuhr Sue fort. „Ich muss unbedingt Sarah erreichen. Aber die Telefonnummer, die sie mir gegeben hat, stimmt irgendwie nicht. Vielleicht hab ich sie mir falsch notiert. Und das Bewerbungsschreiben von damals find ich nicht mehr. Kannst du mal im Internet nach ihrer Adresse und Telefonnummer suchen?“
„Mach ich“, versprach Myriam, während sie Tom anblickte, wie er April anblickte.
„Das ist wirklich nett. Ich komm zu überhaupt nichts mehr. Wenn nur die Sache mit Charlie endlich geklärt
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