Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
Handlungsträger « . Ein bewusster Handlungsträger nimmt die Wirklichkeit durch eine bestimmte Art von Nervensystem wahr. Dabei braucht es sich keineswegs um ein menschliches Nervensystem zu handeln. Andere Spezies sind ebenfalls bewusste Handlungsträger. Auch ihr Gehirn tritt zu Zeit und Raum in Verbindung, wenn auch nicht in der Weise wie unser Gehirn. Ein auf den Bäumen des südamerikanischen Regenwaldes lebendes Faultier bewegt sich im Lauf eines Tages vielleicht ein paar Meter weit, und dies in einem Tempo, das wir– im Unterschied zum Faultier– als quälend langsam ansehen würden. Dem Empfinden des Faultiers zufolge vergeht die Zeit freilich ganz normal. Für einen Kolibri mit seinen über 80Flügelschlägen pro Sekunde gilt das ebenso.
Hier wird eine für die Aufrechterhaltung der Wirklichkeitsillusion ganz grundlegende Überzeugung infrage gestellt: der Glaube, die objektive Welt sei für jedes Lebewesen die gleiche. In einer Sprache, die ein wenig technisch klingt, setzt Hoffman zu einer überraschenden Attacke auf diese Überzeugung an: » Wahrnehmungsbezogene Erfahrungen entsprechen keineswegs den Eigenschaften der objektiven Welt, nicht einmal annähernd, stattdessen liefern sie in Bezug auf jene Welt eine für die betreffende Spezies charakteristische Benutzeroberfläche. «
Wenn Sie die vorangegangenen Überlegungen für logisch gehalten haben, dann dürfte dieser Satz für Sie ebenfalls klar sein, abgesehen vielleicht von dem aus der Computersprache entlehnten Ausdruck » Benutzeroberfläche « . Stellen Sie sich das Universum als eine Erfahrung vor, nicht als ein Ding. Was wie ein Großteil des Kosmos aussieht, können Sie erleben, indem Sie sich in einer wolkenlosen Sommernacht den reich bestückten Sternenhimmel anschauen. Dabei bekommen Sie dann allerdings noch nicht einmal den milliardsten Teil eines milliardsten Teiles des Ganzen zu sehen. Ohne ein unendliches Nervensystem kann man das Universum nicht erfassen. Aufgrund all unserer Synapsen, deren Anzahl sich in einer Größenordnung von bis zu einer Billiarde bewegt, lässt sich das menschliche Gehirn von der Unendlichkeit jedoch nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Nichtsdestoweniger wären Sie nie in der Lage, etwas zu sehen, zu hören oder zu ertasten, wenn Sie dafür jedes Mal zu Ihren Synapsen in Verbindung treten müssten: Einfach nur die Augen zu öffnen setzt bereits die Synchronisation Tausender Signale voraus. Daher hat die Natur eine Verknüpfung bereitgestellt, die ein gutes Stück weit den Kurzbefehlstasten ähnelt, von denen Sie vermutlich Tag für Tag an Ihrem Computer Gebrauch machen. Wollen Sie am Computer innerhalb eines Textes einen Satz löschen, dann markieren Sie ihn und drücken einfach die » Entfernen « -Taste. Das heißt, Sie müssen sich keineswegs erst mit dem Innenleben des Gerätes befassen oder an seiner Programmierung herumdoktern. Sie müssen nicht Tausende Nullen und Einsen in einem digitalen Code umarrangieren. Ein einziger Tastendruck genügt. So funktioniert eine Benutzeroberfläche.
Entsprechend brauchen Sie sich, wenn Sie solche Qualia wie die Süße von Zucker oder das Funkeln eines Smaragds hervorbringen, auch nicht in Ihr Gehirn hineinzubegeben oder an seiner Programmierung herumzubasteln. Vielmehr schlagen Sie die Augen auf, sehen Licht– und Bingo!, von einem Augenblick zum anderen ist die ganze Welt vorhanden.
Mit solch einer Argumentation gibt Hoffman eine prächtige Zielscheibe ab. Das gesamte Lager derjenigen Wissenschaftler, die erklären, Bewusstsein werde durch das Gehirn hervorgebracht, ist gegen ihn aufmarschiert. Hoffman dreht den Spieß herum und erklärt, Bewusstsein bringe das Gehirn hervor.
Die Beweisführung anzutreten ist für keines der beiden Lager eine leichte Aufgabe. Für das » Primat des Gehirns « -Lager gilt es zu zeigen, wie Atome und Moleküle zu denken gelernt haben. Für das » Primat des Bewusstseins « -Lager gilt es hingegen zu zeigen, wie Geist in der Lage ist, Atome und Moleküle zu erschaffen.
Das Kluge an Hoffmans Position ist– und wir danken ihm von Herzen für seine sorgfältigen Überlegungen–, dass er die letztgültige oder höchste Wirklichkeit nicht zu erklären braucht. Denn das zu tun übersteigt die Möglichkeiten des Verstandes. Ist Gott die letztgültige Wirklichkeit? Ist Ihr Universum einem Multiversum beziehungsweise einer unendlich großen Anzahl von Multiversen entsprungen? Oder hatte Platon vor über 2000 Jahren die richtige Idee,
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