Super Jumper. Luc - Nicht von diesem Planeten
schießt, dort wo das Bike aufliegt. Doch ich gebe noch mal richtig Gas und dann endlich bin ich an Buddy vorbei.
Nur noch ein letzter Sprung über einen dieser idiotischen Maulwurfshügel und ich habe die sichere Landstraße erreicht.
Mit vollem Tempo steuere ich auf den Erdhügel zu. Ich stemme mich in den Boden, setze zum Sprung an. Doch anstatt abzuheben und über das Furz-Hügelchen hinwegzufliegen wie die Zugvögel über den Acker, wenn sie die Schnauze gestrichen voll von diesem Scheißwetter hier haben, rutsche ich seitlich weg. Meine Beine sind glibberiger Pudding. Sie knicken ein und ich schmiere ab. Mein Rad kippt mir von der Schulter. Es kracht auf die Wiese. Wenige Meter vom Ziel entfernt liege ich der Länge nach da und möchte vor Scham ins Gras beißen.
»Yeah!«, kreischt Buddy wie bekloppt. »Ich bin nicht Letzter! Ich bin nicht Letzter! Ich bin nicht Letzter!«
Igitt! Ist das peinlich!
Ich halte die Luft an. Erwarte das Gelächter. Mache mich bereit für die Hohnflutwelle. Stattdessen höre ich nur Tarik raunen: »Buddy, futtere ’nen Donut und komm mal wieder runter.«
Zu Hause fällt weder meiner Mutter noch Klaus auf, dass ich wie eine Pottsau aussehe. Die beiden sind komplett mit den Vorbereitungen für morgen beschäftigt. Zumindest rufen sie mir so etwas in der Art zu, als ich mit hängendem Kopf die Einfahrt entlangschleiche. Ich verzieh mich gleich ins Haus. Zum Glück steht die Tür weit offen. Einen elendigen eigenen Schlüssel hab ich nämlich noch immer nicht.
Unter der Dusche spüre ich dann die Schmerzen. Sie beginnen in den Waden und brennen sich von dort aus hoch bis in jede einzelne Gehirnzelle.
Ich bleibe so lange wie nie unter dem warmen Wasserstrahl stehen. Lasse dabei das Rennen, den Tag, die Woche, die komplette Zeit hier an meinem inneren Auge vorbeirauschen. Szene für Szene. Moment für Moment. – Und dann muss ich lachen. Es überkommt mich so heftig, dass ich die Klappe weit aufreiße und mich am Duschwasser verschlucke. Ich keuche und huste. Kurz bevor der nächste Lachanfall mich fast in die Knie zwingt.
»Luc?«, höre ich meine Mutter vor der Badezimmertür. »Weinst du etwa?«
»Nein«, gluckse ich. »Bestimmt nicht!«
Am Samstag wird die Gärtnerei offiziell eröffnet. Klaus humpelt auf seinen Krücken wie ein aufgescheuchtes Huhn zwischen den vielen Gästen hin und her.
Meine Mutter hingegen ist total locker drauf. Aber mit Frau Sennefeld an ihrer Seite hat sie auch echt ’nen Sechser im Lotto gewonnen. »Die hat alles im Griff«, sagt meine Mutter. Dabei fällt ihr Blick auf Klaus. Anstatt den Kopf über ihn zu schütteln, weil er gerade einer Kundin den Sekt vor lauter Hibbeligkeit nicht ins Glas, sondern über die Bluse gekippt hat, lächelt sie.
»Tja, wenn ein Lebenstraum in Erfüllung geht, dann läuft eben auch mal was daneben …«
Im nächsten Augenblick hat sie den Arm um mich gelegt und mir einen endpeinlichen Sabberkuss aufgedrückt.
Hölle!
»Danke, Schatz«, sagt sie, plötzlich ganz sentimental.
»Wo-wofür?«, krächze ich und wische mir die Spucke von der Wange.
»Dass du dich hier so schnell eingelebt hast. Weißt du, Luc, wenn du unglücklich bist, dann sind Klaus und ich es genauso …«
Sie schaut mich erwartungsvoll an. So als wollte sie noch mal hören, wie unglaublich glücklich ich hier bin. Aber ehrlich, Leute, wie soll das gehen? Drüben in der Einfahrt stehen nämlich schon die Super Jumper herum. Sie reiben sich die Hände, bis die feurig heiß glühen, und platzen fast vor Vorfreude. Bah, wie eklig!
Aber gut, wenn ich an ihrer Stelle wäre, ich hätte jetzt auch kochende Handinnenflächen. Also spanne ich sie nicht länger auf die Folter und tue ihnen den Gefallen. Kneifen ist sowieso sinnlos.
»Ist es okay, wenn ich mit den anderen für eine Weile abdüse?«
Meine Mutter lächelt ahnungslos. »Klar. Ich bin doch froh, dass du so nette Freunde gefunden hast.«
Ich nicke und denke: Wenn du wüsstest! Echt total nett .
Bis zu Hahnes Obstplantage sagt keiner ein Wort. Ich fahre direkt hinter Justus, der es verdammt eilig hat, mich den Köter knutschen zu lassen.
Ich kann Hunde nicht ausstehen. Ums Verrecken nicht. Diese blutunterlaufenen Augen, mörderischen Reißzähne, um sich schlagenden Schwänze. Und überall kacken die hin. In Hamburg bin ich unzählige Male in einen dampfenden Haufen gelatscht. Original ätzend.
Aber Wettschulden sind Ehrenschulden, sagt Klaus immer. Wenn ich schon verloren habe –
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