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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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verdammten Tompkins Park, von den Dingen oder Leuten, die sie da retten wollte. Ihr geheimnisvoller Freund? Ihre Schwester? Was zum Teufel sollte Sally mitten auf einem Schlachtfeld zu suchen haben?
    «Ich glaube, so kann das nicht funktionieren», hatte ich zu Eunice über unsere Beziehung gesagt, nachdem sie den größten Teil des blutgetränkten nächsten Tages schmollend im Schlafzimmer verbracht hatte. «Wenn wir
jetzt
nicht füreinander da sind, wo die Welt sich in die Scheiße reitet, wie sollen wir es dann sonst hinkriegen? Eunice! Hörst du mir überhaupt zu? Ich habe einen meiner besten Freunde verloren! Willst du mich nicht trösten oder so?» Keine Antwort, starres Lächeln, Rückzug ins Schlafzimmer.
E basta.
    Das Dröhnen, laut und leise, weit weg und ganz nah, das Hämmern in meinem Kopf, Leuchtspursalven vorm wolkenverhangenen Mond, Leuchtspursalven, die geheime,versteckte Teile der Stadt erhellen, ein ganzes Gebäude voller weinender Babys und, noch erschreckender, das vorübergehende Verstummen ihres Geschreis. Unablässig. Unablässig. Unablässig. Selbst bei ganz zugezogenen Vorhängen sieht man die magentafarbenen Blitze, hört sie mit der Haut. Und nachts ein metallisches Knirschen vom Fluss her, als würden zwei Frachtkähne langsam ineinanderkrachen. Sobald ich ein Fenster öffne, steigt mir der eigenartige Duft von Blüten und verbrannten Blättern in die Nase – ein süßliches, dichtes Vergehen, wie nach einem Gewitter auf dem Land. Seltsamerweise keine Auto-Alarmanlagen. Ich horche, ob ich den tröstlichen Klang der Rettungswagen höre, die vermutlich mit großem Tempo unterwegs sind, um Menschen am Leben zu erhalten – am ersten Tag nach dem Bruch alle paar Minuten, dann alle paar Stunden, dann gar nicht mehr.
    Mein Äppärät kriegt keine Verbindung zustande. Und ich auch nicht. Kein einziger Äppärät funktioniert noch. «Das ist ein NNEMP», erklären die dreißigjährigen Mediencracks, die im Foyer unserer Wohnanlage herumhängen, entschieden. Ein Nicht-Nuklearer Elektromagnetischer Puls. Die Venezolaner müssen ihn hoch über der Stadt erzeugt haben. Oder die Chinesen. Als ob das jemand wüsste. Als gäbe es einen Qualitätsunterschied von «Nachrichten», seit die Medien verstummt sind.
    Venezolaner, die mal was anderes als einen Maisfladen erzeugen.
    Auch
e gal
, würde Eunice sagen, wenn sie noch mit mir spräche.
    Ich halte meinen Äppärät aus dem halbgeöffneten Fenster und versuche, ein Signal aufzufangen. Ich kann meine Eltern nicht erreichen. Ich kriege keine Verbindung nach Westbury zustande. Keine Verbindung zu Vishnu. Zu Grace.Und höre nichts von Nettie Fine. Komplette Funkstille, seit Noahs Fähre in die Luft gegangen ist. Das Einzige, was bei mir eingeht, sind diese Ausnahmenachrichten von WapachungKrise. «SICHERHEITSLAGE OFFEN. WOHNUNG NICHT VERLASSEN. WASSER: VERFÜGBAR. STROM: SPORADISCH. ÄPPÄRÄT WENN MÖGLICH VOLLSTÄNDIG AUFGELADEN HALTEN. WEITERE ANWEISUNGEN ABWARTEN .»
    Im Nebenzimmer weint sie.
    Ich habe solche Angst.
    Ich habe niemanden.
    Eunice, Eunice, Eunice. Warum brichst du mir immer und immer wieder das Herz?
     
    Fünf Tage nach dem Bruch: Anweisungen.
     
    WAPACHUNG-KRISE AUSNAHMENACHRICHT: SICHERHEITSLAGE SÜDLICHES/​MITTLERES MANHATTAN VERBESSERT. BITTE IN DER HAUPTGESCHÄFTSSTELLE IHRER ABTEILUNG MELDEN.
     
    Ich zog Hemd und Hose an und war zugleich verängstigt und in Feierlaune. Die Klimaanlage war ausgefallen, weshalb ich nur in Unterwäsche herumgelaufen war, und jetzt kam mir die Hose wie eine Rüstung und das Hemd wie ein Leichentuch vor. Eunice saß am Küchentisch und starrte abwesend auf ihren nicht funktionierenden Äppärät. Sie hatte noch nie nach ungewaschenen Haaren gerochen, aber jetzt war der Geruch eindeutig, so streng wie das meiste im halb lahmgelegten Kühlschrank. Aus irgendeinem Grund besänftigte mich das, ich wollte ihr vergeben, sie wiederfinden,denn was auch zwischen uns geschehen war, es hatte nichts mit mir zu tun. «Ich muss zur Arbeit», sagte ich und küsste sie auf die Stirn, atmete unerschrocken ein, was sie jetzt ausmachte.
    Zum ersten Mal seit hundert Stunden sah sie zu mir auf. «Um Joshie zu treffen?», fragte sie.
    «Ja», sagte ich. Sie nickte. Ich stand neben ihr wie ein japanischer Büroangestellter in zu warmer Hose und beengendem Hemd und wartete auf mehr. Aber mehr kam nicht. «Ich liebe dich immer noch», sagte ich. Keine Reaktion, aber auch kein starres Lächeln. «Ich finde, wir haben beide

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