Super Sad True Love Story
drei Seiten schreiben kann, ohne Eunice Park auch nur einmal zu erwähnen. Mal sehen, ob ich über etwas anderes als mein Herz schreiben kann.
Denn als das Fahrgestell der Maschine in New York endlich den Asphalt küsste, hätte ich die Panzer und gepanzerten Truppentransporter beinahe nicht bemerkt, die da auf den Inseln sonnenverbrannten Grases zwischen den Landebahnen hockten. Hätte fast die Soldaten in ihren schlammigen Stiefeln übersehen, die neben unserem Flugzeug herrannten, als wir bebend vorzeitig zum Stehen kamen und die besorgte Stimme des Piloten im Lautsprecher von knisterndem elektronischem Zischen übertönt wurde.
Unsere Maschine war von dem umstellt, was als Armee der Vereinigten Staaten durchging. Bald hörten wir es am Einstieg klopfen, hörten die Flugbegleiterinnen losstürzen, um die Tür auf das drängende militärische Gebrüll von draußen hin zu öffnen. «Was soll der Scheiß?», fragte ich den Jungspund neben mir, aber er legte bloß den Finger an die Lippen und wandte sich ab, als würde auch ich den Gestank einer Erzählungssammlung ausdünsten.
Sie waren in der First-Class-Kabine. An die neun Männer in verdreckten Tarnuniformen, meist Mitte dreißig (zu alt für den Einsatz in Venezuela, nahm ich an), Schweißflecken unter den Achseln, Wasserflaschen hier und da an die kugelsicheren Westen geheftet, M-1 6-Gewehre vorm Oberkörper, kein Lächeln, keine Worte. Sie scannten uns drei unendliche Minuten lang mit ihren großen braunen Einsatz-Äppäräten. Das amerikanische Passagierkontingent schwieg so lange trotzig, wohingegen die Italiener an Bord mit wütendem Nachdruck zu reden anfingen. Und dann ging es los. Sie packten ihn an beiden Armen und versuchten,ihn auf die Füße zu zerren, doch seine gewaltige Körpermasse protestierte träge. Die amerikanischen Passagiere wandten sich sofort ab, doch die Italiener riefen schon:
«Que barbarico!»,
und:
«A cosa serve?»
Die Angst des hässlichen Dicken rollte in fauligen Wellen durch die Kabine. Wir spürten sie, noch ehe wir seine Stimme hörten, die wie der Rest von ihm nicht dem Standard unserer Zeit entsprach: Sie war schwach, hilflos, verachtenswert. «Was habe ich denn getan?», stammelte er. «Schaut in meine Brieftasche. Ich bin ein Überparteilicher. Schaut in meine Brieftasche. Ich habe ein First-Class-Ticket. Alles, was der Biber wissen wollte, habe ich ihm gesagt.»
Ich warf einen Seitenblick auf die Peiniger des Dicken, die ihn, Finger am Abzug, gleichmütig umringten. Ihre Uniformen waren mit hastig gefertigten Abzeichen versehen, einem Schwert über der Krone der Freiheitsstatue, dem Kennzeichen der New Yorker Nationalgarde, glaube ich. Dennoch hatte ich das Gefühl, diese ländlichen Weißen kamen nicht mal
aus der Nähe
von New York. Sie waren langsam und unbeholfen, sahen müde aus, als hätte ihnen jemand in die Pupille gepikst und die Augen schwarz umrandet. «Ihren Äppärät», sagte einer von ihnen zum Dicken.
«Habe ich zu Hause gelassen», flüsterte der Mann hörbar, und wir wussten alle, dass er log. Als die Soldaten ihn schließlich aus dem Sitz zerrten, drang das eingerostete Gewimmer eines Erwachsenen durch die Kabine. Ich drehte mich um und sah seine ausgebeulte, schlecht sitzende Hose, zu weit für seine eigenartig kleinen Beine. Und das war das Letzte, was ich von dem kriminellen Passagier des Flugs UnitedContinentalDeltamerican 023 nach New York sah, irgenwie hatten die Soldaten ihn zum Schweigen gebracht, und wir hörten nur noch das Platschen seiner Mokassins zwischen dem steten Stampfen ihrer Stiefel.
Noch war es nicht vorbei. Während die Italiener zornig über den Zustand unserer geplagten Nation herzogen und den Namen des
macellaio
oder «Schlachters» Rubenstein murmelten, der mit blutverschmierter Visage und erhobenem Hackbeil als Plakat an jeder römischen Straßenecke hing, betrat eine zweite Gruppe Soldaten unsere Kabine. «U S-Bürger , die Hände heben», wurde uns befohlen.
Die Kopflehne drückte kalt an meinen kahlen Fleck in Ohioform. Was hatte ich getan? Hätte ich den Mund halten sollen, als der Otter mich nach Fabrizias Namen fragte? Hätte ich sagen sollen: «Diese Frage möchte ich nicht beantworten», wie es nach seiner Aussage mein Recht gewesen wäre? War ich
zu
willfährig gewesen? Hatte ich noch Zeit, auf Nettie Fines Kontaktdaten in meinem Äppärät zurückzugreifen, um sie den Nationalgardisten zu präsentieren? Würden sie auch mich aus dem Flugzeug zerren? Meine
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