Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
ist alles ganz großartig für die Posthumanen Dienstleistungen! Angst vor finsteren Zeiten macht uns umso attraktiver. Vielleicht kaufen uns die Chinesen oder Singapur komplett auf. Howard Shu spricht ein bisschen Mandarin. Vielleicht solltest du Mandarinkurse belegen.
Ni hao
und so.»
    «Tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe, weil ich so lange in Rom geblieben bin», flüsterte ich beinahe. «Ich dachte, ich könnte womöglich meine Eltern besser verstehen, wenn ich in Europa lebe. An einem wirklich geschichtsträchtigen Ort ein bisschen über Unsterblichkeit nachdenken. Ein paar Bücher lesen. Ein paar Gedanken aufschreiben.»
    Joshie wandte sich von mir ab. Aus diesem Blickwinkel sah ich eine andere Facette: leicht angegraute Bartstoppeln, die von seinem sonst vollkommen ovalen Kinn abstanden – die zarte Andeutung, dass sich nicht
alles
an ihm in Richtung Unsterblichkeit umkehren ließ. Noch nicht.
    «Diese Gedanken, diese Bücher, die sind doch das Problem, Rhesus», sagte er. «Du musst aufhören zu denken und anfangen zu verkaufen. Deshalb wollten diese jungen Besserwisser in der Eternity Lounge dir eine kohlenhydratsatteMakrone in den Arsch schieben. Ja, das habe ich gehört. Ich habe ein neues Beta-Trommelfell. Wer kann es ihnen verübeln, Lenny? Du lässt sie an den Tod denken. Du erinnerst sie an eine andere, ältere Version unserer Gattung. Und jetzt werd nicht sauer auf mich. Vergiss nicht, ich habe auch mal angefangen wie du. Schauspielerei. Geisteswissenschaften. Das ist der ‹Trugschluss der bloßen Existenz›. TBE. Später bleibt noch genug Zeit zum Grübeln und Schreiben und Schauspielern. Jetzt heißt es:
Verkauf um dein Leben

    Die Flut stieg. Die Rechnung wurde präsentiert. Ich hatte mich nicht als würdig erwiesen, wie immer. «Ich bin so egoistisch, Grizzlybär. Wenn ich dir doch in Europa wenigstens ein paar mehr VPPs zugeschanzt hätte. Meine Güte. Bin ich noch angestellt?»
    «Wir wollen dich erst mal wieder eingewöhnen», sagte Joshie. Als er hinausging, berührte er mich kurz an der Schulter. «Ich kann dir nicht sofort wieder einen Schreibtisch besorgen, aber ich kann dich im Willkommens-Zentrum in die Aufnahme versetzen.» Eine Degradierung im Vergleich zu meinem vorherigen Posten, aber erträglich, solange mein Gehalt unverändert blieb. «Wir müssen dir einen neuen Äppärät beschaffen», sagte er. «Du musst lernen, besser auf den Datenströmen zu surfen. Leute schneller zu bewerten.»
    Ich erinnerte mich an Punkt 2:
Beschwöre väterliche Bindung als Reaktion auf politische Situation. Sprich über das, was im Flugzeug passiert ist; ruf jüdische Gefühle von Schrecken und Ungerechtigkeit wach.
«Joshie», sagte ich. «Du solltest deinen Äppärät immer bei dir haben. Da war so ein armer Dicker im Flugzeug   –»
    Aber er war schon aus der Tür und warf mir einen kurzen Blick zu, der mir bedeutete, ihm zu folgen. Die Horden vonBrown-Yonsei- und Reed-Fudan-Absolventen stürzten sich auf ihn, jeder versuchte, die anderen an Vertraulichkeit zu übertreffen («Joshster! Budnik!»,
«Papi chulo!»
), jeder hielt die Lösung für alle Probleme unseres Planeten parat. Er schenkte ihnen winzige Teilchen seiner selbst. Er strubbelte Haare.
«Jah, right, man!»
, sagte er zu einem jamaikanisch wirkenden Typen, der genauer betrachtet gar kein Jamaikaner war. Ich merkte, dass wir nach unten gingen, hinunter zum wilden Wasserloch der Personalabteilung, direkt zu Howard Shus Schreibtisch.
    Shu, ein verdammt verbissener Einwanderer nach Art meines Hausmeister-Vaters, allerdings der englischen Sprache mächtig und mit guten Arbeitsresultaten, bediente gleichzeitig drei Äppäräte; unter seinen schwieligen Fingerspitzen und in seinem Chinatown-Stakkato summten Daten und die stumpfsinnige, starke Hoffnung, dass er alles unter Kontrolle hatte. Bei seinem Anblick fiel mir ein, dass ich mal zu einer Konferenz zum Thema Langlebigkeit in einer chinesischen Provinzstadt gereist war. Ich landete auf einem gerade erst erbauten Flughafen, so schön wie ein Korallenriff und auch nicht weniger komplex, warf auf die eilenden Massen, den in ihren Augen glitzernden Wahnsinn einen kurzen Blick – am Taxistand traf ich mindestens drei Männer, die mir einen raffinierten neuen Nasenhaarschneider verkaufen wollten (war zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts etwa New York so gewesen?) – und dachte bei mir: «Meine Herren, die Welt gehört Ihnen.»
    Was die Sache noch schlimmer machte: Shu war

Weitere Kostenlose Bücher