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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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einfach, von einem amerikanischen Gehalt zu leben. Der Dollar   –»
    «Wo liegt dein p H-Wert ?», unterbrach mich Joshie.
    «Oje», sagte ich. Die Astschatten einer herrlichen Eiche krochen über die Fensterscheibe und zierten Joshies rasierten Schädel mit einem Geweih. Die Fenster in diesem Teil der ehemaligen Synagoge waren so angeordnet, dass sie die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten darstellten. Joshies Büro lag im obersten Stockwerk, und die Worte «Du sollst nicht andere Götter haben neben mir» waren noch auf Englischund Hebräisch in die Scheibe graviert. «Acht Komma neun», sagte ich.
    «Du musst entgiften, Len.»
    Vor seiner Tür hörte ich Lärm. Eifrige Stimmen buhlten um seine Aufmerksamkeit, die Tagesgeschäfte breiteten sich in alle Richtungen aus wie die endlosen Datenkorridore, die sich durch Manhattan zogen. Auf Joshies Schreibtisch zeigte eine glatte Glasscheibe, ein eleganter digitaler Bilderrahmen, eine Diashow aus seinem Leben – der junge Joshie im Maharadschakostüm bei seiner kurzlebigen Einmannshow auf einer Off-Broadway-Bühne; fröhliche Buddhisten in dem laotischen Tempel, den er mit eigenen Mitteln von Grund auf wieder errichtet hatte, flehentlich vor der Kamera kniend; der unwiderstehlich lächelnde Joshie mit kegelförmigem Strohhut während seiner kurzen Laufbahn als Sojafarmer.
    «Ich werde täglich fünfzehn Becher alkalisiertes Wasser trinken», sagte ich.
    «Dein androgenetischer Haarausfall bereitet mir Sorgen.»
    Ich lachte. Ich machte tatsächlich «haha». «Mir auch, Grizzlybär», sagte ich.
    «Ich spreche nicht von Ästhetik. Dieses ganze russischjüdische Testosteron wird unmittelbar in Dihydrotestosteron verwandelt. Richtiges Killerzeug. Prostatakrebs im Anmarsch. Du brauchst mindestens achthundert Milligramm Sägepalmenextrakt pro Tag. Was ist los, Rhesus? Du siehst aus, als müsstest du gleich weinen.»
    Dabei wollte ich bloß zuhören, wie er sich weiter um mich kümmerte. Ich wollte, dass er mein Dihydrotestosteron genau im Blick behielt und mich vor den gnadenlosen Schönlingen in der Eternity Lounge rettete. Joshie hat die Beschäftigten bei Posthumane Dienstleistungen immerdazu angehalten, Tagebuch zu schreiben, sich darauf zu besinnen, wer wir
sind
, denn unsere Hirne, unsere Synapsen würden jeden Augenblick unter erschütternder Nichtachtung unserer Persönlichkeit neu erschaffen und verkabelt, sodass wir uns jedes Jahr, jeden Monat, jeden Tag in einen anderen Menschen verwandelten, was eine ganz und gar unzuverlässige Weiterführung unseres ursprünglichen Charakters, des sabbernden Kindes im Sandkasten sei. Nur ich nicht. Ich bin immer noch ein Faksimile meines Kindheits-Ichs. Ich suche immer noch einen liebenden Vater, der mich hochhebt und mir den Sand vom Hintern klopft, aus dessen Mund ruhig und wohltuend Englisch purzelt. Meine Eltern waren von Nettie Fine erzogen worden, wieso konnte ich mich nicht von Joshie großziehen lassen? «Ich glaube, ich habe mich in ein Mädchen verliebt», sprudelte es aus mir heraus.
    «Erzähl es mir.»
    «Sie ist superjung. Supergesund. Asiatin. Sehr hohe Lebenserwartung.»
    «Du weißt ja, was ich von Liebe halte», sagte Joshie. Die lärmenden Stimmen von draußen wechselten von Ungeduld zu abgründigem Teenagerunglück.
    «Du meinst, ich sollte mich nicht auf romantische Beziehungen einlassen?», fragte ich. «Ich könnte nämlich noch aufhören.»
    «Ich mach nur Spaß, Lenny.» Er boxte mich schmerzhaft gegen die Schulter – unterschätzte seine neue, jugendliche Kraft. «Herrgott, entspann dich mal ein bisschen. Liebe ist toll für den pH-, ACTH-, LD L-Wert , ganz egal, was dir fehlt. Solange es gute,
positive
Liebe ist, ohne Misstrauen oder Feindseligkeit. Jetzt musst du es nur noch hinkriegen, dass diese Asiatin
dich
genauso sehr braucht wie du
mich

    «Lass mich nicht sterben, Joshie», sagte ich. «Ich braucheDechronifizierungsbehandlungen. Wieso steht mein Name nicht auf den Anzeigetafeln?»
    «Die Dinge ändern sich gerade, Äffchen», sagte Joshie. «Hättest du in Rom stündlich CrisisNet abgerufen, wie du es hättest tun sollen, wüsstest du genau, wovon ich rede.»
    «Der Dollar?», fragte ich zögernd.
    «Vergiss den Dollar. Der ist bloß ein Symptom. Dieses Land erwirtschaftet kein Geld. Unsere Vermögenswerte sind wertlos. Die Nordeuropäer überlegen, wie sie sich von unserer Wirtschaft abkoppeln, und wenn uns die Asiaten den Geldhahn zudrehen, sind wir geliefert. Und weißt du, was? Das

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