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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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wegen meiner Familie und heule wegen Ben. O Gott, tut mir leid, Pony. Ich ziehe dich total runter.
    Das Komische ist, ich habe in letzter Zeit oft an Lenny gedacht, den alten Knacker. Ich weiß, körperlich ist er eklig, aber er hat auch was ganz Süßes, und ehrlich gesagt brauche ich jemanden, der sich um mich kümmert. Bei ihm fühle ich mich sicher, weil er so ganz und gar nicht mein Traumtyp ist, und kann ich selbst sein, weil ich ihn nicht liebe. Vielleicht geht es Ben ja mit mir genauso. Ich hatte so eine Sexphantasie, dass ich mit Lenny schlafe und dabei versuche, seine Peinlichkeit einfach auszublenden und bloß seine sehr ernsthafte Liebe zu genießen. Hast du so was schon mal gemacht, Pony? Verkauf ich mich etwa unter Wert? Als wir in Rom so eine wunderhübsche Straße entlangspaziert sind, fiel mir auf, dass Lenny sein Hemd total falsch geknöpft hatte, und da habe ich es einfach richtig geknöpft. Ich wollte ihm bloß helfen, weniger trottelig zu sein. Ist das nicht auch eine Form von Liebe? Und als er beim Essen mit mir geredet hat, also normalerweise höre ich ja genau zu, wenn ein Typ redet, versuche mir eine Antwort zu überlegen oder mich jedenfalls angemessen zu verhalten, aber bei ihm hab ich irgendwann einfach nicht mehr hingehört, sondern bloß noch geschaut, wie sich seine Lippen bewegen, auf die Speichelblasen an seinen Lippen, auf seinen dämlichen Bartstoppeln, weil er beim Erzählen so ERNSTHAFT war. Und ich dachte bei mir, wow, Lenny, irgendwie bist du schön. Du bist das, was Prof.   Margaux im Selbstsicherheits-Seminar immer «einen echten Menschen» genannt hat. Ach, ich weiß auch nicht. Bei ihm überlege ich immer hin und her. Manchmal denke ich: Auf keinen Fall, das kann niemals funktionieren, ich finde ihn einfach nichtattraktiv. Aber dann denke ich daran, wie er mich geleckt hat, bis er kaum noch Luft kriegte, der Arme, und wie ich einfach die Augen schließen und so tun konnte, als wären wir beide jemand anders. O Gott, hör mich bloß an. Jedenfalls vermisse ich dich so sehr, Pony. Echt. Komm bitte nach New York! Ich brauche im Augenblick alle Liebe, die ich kriegen kann.

RATEME PLUS
    Aus dem Tagebuch des Lenny Abramov
    12.   Juni
     
    Liebes Tagebuch,
     
    Gott, wie ich sie vermisse. Noch keine Nachricht von meiner Euny, keine Antwort auf meine Aufforderung, hierherzuziehen und sich mit knoblauchigen Auberginenleibern verwöhnen zu lassen, mit meinen geübten Erwachsenenzärtlichkeiten, mit allem, was mein Konto noch hergibt, nachdem Howard Shu mir 239   000   Yuan-gekoppelte Dollar abgebucht hat. Aber ich gebe nicht auf. Jeden Tag hole ich meine handgeschriebene Checkliste hervor und erinnere mich an Punkt 3, der mir auferlegt, Eunice zu lieben, bis der gefürchtete «Lieber Lenny»-Brief auf GlobalTeens erscheint und sie mit irgendeinem heißen Kredit- oder Medientypen durchbrennt, irgendeinem hirnlosen Deppen, der so auf ihr Aussehen abfährt, dass er gar nicht erkennt, wie sehr diese winzige Frau vor seiner Nase Trost und Heilung nötig hat. Auf der anderen Seite der Medaille hinterlassen die Abramovs inzwischen lauter trostlose Botschaften auf GlobalTeens, und die analphabetischen Betreffzeilen wie «ich und mammi traurich» oder «ich sorge» oder «ohne sohn lebn einsahm» erinnern mich daran, dass es für Punkt 5 – Nett zu den Eltern sein – fast schon Zeit ist. Ich muss mich bloß erst ein bisschen selbstsicherer fühlen, mein Leben und vor allem meine Finanzen in den Griff kriegen – immer ein heikles Thema bei den geizigen Abramovs   –, ehe ich mich nach Long Island aufmache und sie in ihrer florierenden reaktionären Umgebung aufsuche.
    Apropos Geld, ich war bei meiner HSB C-Filiale am East Broadway, wo mir eine hübsche, junge Dominikanerin mit faulenden Zähnen einen Überblick über die Entwicklung meiner Finanzinstrumente gab. Die war, kurz gesagt, beschissen.
    Mein AmericanMorning-Portfolio wurde zwar an den Yuan gekoppelt, hatte aber dennoch zehn Prozent an Wert verloren, weil die Idioten von Fondsmanagern ohne mein Wissen den Rohrkrepierer ColgatePalmoliveYum!Brands-ViacomCredit eingestreut hatten, und Bric, mein risikoarmer Mischfonds aus Unternehmen wirtschaftsstarker Nationen (
B
rasilien,
R
ussland,
I
ndien,
C
hina), hatte wegen der Unruhen um Putingrad im April und wegen der brasilianischen Wachstumsdelle nach der amerikanischen Invasion in Venezuela nur 3   Prozent zugelegt. «Ich glaub, ich scheiß gleich ein Bric ett», sagte ich zu

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