Super Sad True Love Story
Maria Abriella, meiner Depotmanagerin.
Ms. Abriella bat mich, auf einen alten Computerbildschirm zu schauen. Ich ignorierte die kapriziös flackernden Dollarsummen und konzentrierte mich auf die stetigeren, an Euro oder Yuan gekoppelten Werte. Ich nannte etwa 1 865 000 Yuan mein Eigen; vor meinem Aufbruch nach Europa waren es noch fast 2,5 Millionen gewesen. «Sie ham Spitznkredit, Mr. Lenny», sagte sie mit ihrer heiseren Kettenraucherinnenstimme. «Wenn Sie Patriot sein wolln, sollten Sie Geld leihn und sich noch ne Wohnung zulegn, so als Inves’tion.»
Noch eine Wohnung? Meine Fonds bluteten aus. Ich wandte mich von Ms. Abriellas schönen, wie Möwenflügel geschwungenen Lippen ab, als hätte sie mich geohrfeigt, und ließ mich vom Tod überschwemmen: Der Corned-Beef-Duft meines feuchten Nackens würde erst einem wie Dampf von meinen Schenkeln und Achselhöhlen aufsteigendenAltmänneraroma weichen und dann dem finalen, überreifen Gestank der Hospizjahre in Arizona, wo man mich mit Putzmittel abreibt, als wäre ich ein kranker alter Elefant.
Geld ist gleich Leben. Nach meiner Schätzung würden sogar die vorbereitenden Beta-Behandlungen, zum Beispiel die Transfusion von SmartBlood in meinen lachhaften Blutkreislauf, im Jahr an die drei Millionen Yuan kosten. Mit jeder in Rom verbrachten Sekunde, in der ich mich herzlich an der Architektur erfreut, hingerissen Fabrizia gevögelt und täglich genug Glukose zu mir genommen hatte, um einen kubanischen Zuckerrohrfarmer umzubringen, hatte ich die Mautstraße zu meinem Ableben weiter gepflastert.
Und jetzt gab es nur noch einen Menschen, der meinem Leben eine Wende geben konnte.
Was mich wieder zu Punkt 1 bringt: Sich für Joshie ins Zeug legen. Ich glaube, diesbezüglich liege ich ganz gut im Rennen. Die erste Woche bei den Posthumanen Dienstleistungen ist vorbei, und es hat sich nichts Schreckliches ereignet. Howard Shu hat mich noch nicht aufgefordert, in der Aufnahme tatsächlich irgendwelche Dinge zu tun; stattdessen habe ich die Woche in der Eternity Lounge abgehangen und mit meinem kieselglatten neuen Äppärät 7.5 mit RateMe-Plus-Technologie herumgespielt, den ich jetzt stolz wie einen Anhänger um den Hals trage, habe von CrisisNet endlose Updates zum Kampf meines Landes um Zahlungsfähigkeit bekommen und nebenbei vor meinen jungen Todfeinden all meine Ängste und Hoffnungen abgeladen – habe von der Liebe meiner Eltern erzählt, die immer entweder zu viel oder zu wenig war, und davon gesprochen, wie sehr ich Eunice Park
will
und
brauche
, obwohl sie so viel hübscher ist, als ich es verdiene –, ja im Großen und Ganzen versuchte ich, diesen Kindernder Open-Source-Generation zu zeigen, wie viele Informationen so ein alter «Intro» wie ich mit ihnen zu teilen bereit ist. Bisher ernte ich vor allem Zurufe wie «eklig» oder «krank» oder «IGIMGK», was, wie ich inzwischen ja weiß, so viel wie «Ich glaub, ich muss gleich kotzen» heißt, aber ich habe auch herausgefunden, dass Darryl, der Typ im SUK-DI K-Einteiler mit dem roten Halstuch, in seinem GlobalTeens-Stream «101 Leute, die uns leidtun sollten» nette Sachen über mich gepostet hat. Gleichzeitig hörte ich das Ticker-ticker-ticker der Anzeigetafeln, wo gerade Darryls Stimmungsbarometer von «positiv/kreativ/bringt sich ein» auf «nervt Joshie schon die ganze Woche zu Tode» in den Keller fiel. Sein Cortisolspiegel ist ebenfalls untragbar. Noch ein bisschen mehr Stress für ihn, und ich kriege meinen Schreibtisch wieder. Das alles jedenfalls kann man als Fortschritt werten, und bald fange ich in der Aufnahme an, stelle meinen Wert unter Beweis und versuche, Joshies Zuneigung zu monopolisieren und rechtzeitig zur traditionellen Tempeh-Gemüsepfanne am Labor Day meinen Status als Schwergewicht im Haus zurückzuerlangen. Außerdem habe ich eine ganze Woche lang keine Bücher gelesen oder allzu laut über sie geredet. Ich lerne, das Display meines neuen Äppäräts zu verehren, sein farbenfroh pulsierendes Mosaik, die Tatsache, dass er jedes hinterletzte Detail über die Welt weiß, während meine Bücher doch immer bloß die Gedanken ihrer Autoren kennen.
Zwischendurch kam das Wochenende, und halleluja! – ich beschloss, den Samstagabend dem Punkt 4 meiner Liste zu widmen: Sich um Freunde kümmern. Mit einem hat Joshie recht: Gute Beziehungen machen einen gesünder. Und es geht nicht nur darum, sich umsorgen zu lassen, sondern diese Sorge erwidern zu
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