Super Sad True Love Story
ein schlechtes Gewissen. Wie so oft seit meiner Kindheit versuchte ich, Nichtexistenz zu spüren. Ich zwang Gleichgültigkeit in meinen feuchtwarmen, hungrigen Körper der zweiten Einwanderergeneration hinein. Ich dachte an meine Eltern. Wir würden alle zusammen tot sein. Nichts von unserer müden, gebrochenen Art würde überdauern. Meine Mutter hatte drei nebeneinanderliegende Grabstellen auf einem jüdischen Friedhof auf Long Island gekauft. «Jetzt können wir für immer zusammenbleiben», hatte sie zu mir gesagt, und ich war über ihren fehlgeleiteten Optimismus beinahe in Tränen ausgebrochen, über den Gedanken, dass sie ihre Vorstellung von Ewigkeit – und was für eine Ewigkeit konnte
das
schon sein? – mit ihrem Versager von Sohn verbringen wollte.
«Du wirst mich ausgelöscht sehen», sagte ich zu Joshie.
«Das würde mir das Herz brechen, Lenny», sagte Joshie, und die Stimme brach ihm vor Erschöpfung oder vielleicht auch nur Ennui.
«In dreihundert Jahren wirst du dich gar nicht mehr an mich erinnern. Dann bin ich bloß irgendein Untergebener.»
«Nichts ist garantiert», sagte Joshie. «Nicht mal
ich
kann sicher sein, dass meine Persönlichkeit ewig überlebt.»
«Das wird sie», sagte ich. Ein Vater sollte sein Kind niemals überleben, wollte ich hinzufügen, doch ich wusste, dass Joshie mir prinzipiell widersprechen würde.
Er legte mir die Hand seitlich aufs Genick und übte sanften Druck aus. Ich beugte mich ein wenig zu ihm und hoffte auf mehr Berührung. Mit leichter Hand massierte er mich. Daran war nichts Besonderes; bei den Posthumanen Dienstleistungen massieren wir einander regelmäßig. Dennoch sog ich seine Wärme auf und wollte glauben, dass sie nur mir galt. Ich dachte an Eunice Park und ihren starken, gesunden Körper mit ausgewogenem p H-Wert . Ich dachte an den warmen Frühsommertag, der vor dem Erkerfenster an Kraft gewann, an das New York vergangener Frühsommer, an die Stadt, die einst so viele Versprechen gehalten hatte, die Stadt einer Million Wechsel auf die Zukunft. Ich dachte an Eunice’ Lippen auf meiner Nase, die mit Schmerz durchsetzte Liebe, den Geschmack nach Mandeln und Salz. Ich dachte, dass alles einfach zu schön war, um es jemals loszulassen.
«Wir fangen gerade erst an, Lenny», sagte Joshie, und seine starke Hand hielt mein müdes Fleisch im Klammergriff. «Jetzt heißt es: Ernährung und Sport. Konzentriere dich auf die Arbeit, um den Geist in Bewegung zu halten, aber denk nicht zu viel nach und gib dich nicht den Ängsten hin. Vor uns liegt viel
zores
. Ärger», erklärte er, als ich das jiddische Wort nicht gleich verstand. «Aber für die richtige Sorte Menschen gibt es auch jede Menge Gelegenheiten. Und,
hey
, freu dich doch, dass du deinen Schreibtisch zurückhast.»
«Der LIBO R-Satz ist laut CrisisNet um siebenundfünfzig Basispunkte gefallen», sagte ich bescheidwisserisch.Er aber schaute auf meinem Äppärät ein Image von Eunice an, das aufdringlich oberhalb der übrigen Datenströme eingeblendet war. Es zeigte sie auf der Hochzeit einer ihrer lächerlich jungen Freundinnen vom Elderbird College im südlichen Kalifornien, in einem schwarz gepunkteten, eng anliegenden Kleid, mit dem sie verzweifelt versuchte, die Andeutungen eines erwachsenen Frauenkörpers zu präsentieren. Ihre Haut leuchtete in der warmen Nachmittagssonne, ihr Blick ließ verhaltene Freude erkennen. «Das ist Eunice», sagte ich. «Mein Mädchen. Ich glaube, sie wird dir gefallen. Gefällt sie dir?»
«Sie sieht gesund aus.»
«Danke», sagte ich strahlend. «Ich kann dir, wenn du willst, ein Image von ihr schicken. Sie ist praktisch ein Aushängeschild für die Ewigkeit.»
«Gern», sagte er und sah sich das Image länger an. «Braver Junge, Lenny», sagte er. «Gut gemacht.»
Am nächsten Tag fuhren Eunice und ich mit der Long Island Rail Road nach Westbury, Long Island, um die Abramovs zu besuchen. Die Liebe, die ich auf der Zugfahrt für sie empfand, hatte eine Hauptstadt und mehrere Provinzen, Diözesen und einen Vatikan, einen orangeroten Planeten und viele missmutige Monde – sie war ein System, und zwar ein vollständiges. Ich wusste, Eunice war noch nicht bereit, meine Eltern kennenzulernen, aber sie kam mir zuliebe trotzdem mit. Das war der erste größere Gefallen, den sie mir tat, und Dankbarkeit überschwemmte mich.
Mein süßes Mädchen war so nervös, dass sie beinahe zitterte (wie oft wollte sie noch frisches Lipgloss auftragen und ihre glänzende
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