Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
(ichwill ihren Geschmack ja gar nicht heruntermachen, dieser ganze Mist gehörte schon beim Kauf zum Haus) sowie die riesigen Flaggen der Vereinigten Staaten von Amerika und des SicherheitsStaates Israel, die an zwei Masten vorm Haus wehten. Die aromatisch vertrocknete Hülle von Mr.   Vida, dem Nachbarn meiner Eltern und besten Freund meines Vaters, winkte von der Veranda gegenüber und rief mir etwas Aufmunterndes und Eunice etwas womöglich Schlüpfriges zu. Mr.   Vida und mein Vater waren beide in ihrer Heimat Ingenieure gewesen und hier in die Arbeiterklasse abgestiegen: große, schwielige Hände, kleine, mit Hornhaut überzogene Körper, kluge braune Augen, ein liebevoll gepflegter Konservatismus und aufstrebende, eilige Kinder, Mr.   Vida hatte drei, mein Vater nur eines. Sein Sohn Anuj und ich hatten zusammen an der NYU studiert, und jetzt war das kleine Arschloch Chefanalyst bei der AlliedWasteCVSCitigroup.
    Ich nahm Eunice am Arm und führte sie über den tadellosen Rasen meiner Eltern. Meine Mutter erschien im üblichen Aufzug an der Tür – weißer Schlüpfer und zweckmäßiger BH   … eine Frau, die sich seit ihrer Pensionierung intensiv dem Leben im Haus widmet und die ich viele Jahre nicht mehr anständig bekleidet gesehen habe.
    Sie wollte mir gerade in typisch übertriebener Manier die Arme um den Hals werfen, als sie Eunice bemerkte, ein verblüfftes russisches Gebrabbel ausstieß und sich ins Haus zurückzog, wobei mir wie immer der Anblick ihrer vollen, der Schwerkraft nachgebenden Brüste und des kleinen runden Bauchhügels im Kopf blieb. Rasch nahm mein Vater, ohne Hemd, in fleckigen sandfarbenen Shorts, ihren Platz ein, gaffte Eunice ebenfalls an, fuhr sich, vielleicht aus Verlegenheit, mit der Hand über die nackte, muskulöse Brust, sagte «Oh!» und umarmte mich dann dennoch. Haardrückte gegen mein neues Oberhemd – der graue Brustteppich, den mein Vater mit eigenartigem Statusbewusstsein zur Schau stellte, als wäre er ein Mitglied des Königshauses in einem tropischen Kleinstaat. Er küsste mich auf beide Wangen, und ich tat es ihm gleich, spürte den Strom der Intimität, der plötzlichen Nähe zu einem Menschen, der normalerweise so weit von mir entfernt seine Kreise zieht. Die Richtlinien, der fast konfuzianische Code der russischen Vater-Sohn-Beziehungen entrollten sich in meinem Geiste: Vater, das heißt, ich muss ihn lieben, muss ihm zuhören, darf ihn nicht beleidigen, darf ihn nicht verletzen, darf ihn nicht für vergangene Fehler zur Rechenschaft ziehen; er ist jetzt ein wehrloser alter Mann, der alles verdient, was ich ihm bieten kann.
    Meine Mutter tauchte in Shorts und Herrenunterhemd wieder auf. «
Synotschek
(Söhnchen)», rief sie und küsste mich ebenso innig. «Sieh nur, wer gekommen ist!
Nasch ljubimez
(Unser Liebling).»
    Sie schüttelte Eunice die Hand, und meine beiden Eltern taxierten sie rasch, stellten fest, dass sie wie ihre Vorgängerinnen nicht jüdisch war, nahmen jedoch still erfreut zur Kenntnis, dass sie schlank und attraktiv aussah und eine dichte schwarze Mähne hatte. Meine Mutter wickelte ihre eigenen kostbaren blonden Locken aus dem grünen Kopftuch, das sie vor der amerikanischen Sonne schützte, und lächelte Eunice reizend an, wobei mir auffiel, dass ihre Haut immer noch bleich und zart, nur um den hektisch sich bewegenden Mund ein wenig gealtert war. Sie legte in ihrem tapferen Rentner-Englisch los und sagte, wie froh sie doch sei, eine potenzielle Schwiegertochter zu haben (ein immer wiederkehrender Traum – zwei Frauen gegen zwei Männer, Chancengleichheit am Essenstisch), und umriss ihre Einsamkeit mit Schnellfeuerfragen über mein geheimnisvollesLeben im fernen New York. «Hält Lenny Wohnung sauber? Saugt er Staub? Einmal, ich kam in Studentenwohnheim, och, schrecklich! Solcher Geruch! Toter Ficus im Topf! Alter Käse auf Tisch! Socken hängen am Fenster.»
    Eunice lächelte und verteidigte mich. «Er ist sehr ordentlich, Mrs.   Abramov. Sehr sauber.»
    Ich sah sie zärtlich an. Irgendwo unter dem hellen Vorstadthimmel spürte ich die Gegenwart eines Browning-M2- Maschinengewehrs , das sich einem ankommenden Zug der Long Island Rail Road entgegendrehte, doch hier war ich umgeben von den Menschen, die mich liebten. «Ich habe vom Drogerie-Discounter Tagamet mitgebracht», sagte ich zu meinem Vater und zog die fünf Schachteln aus der Tasche.
    «Vielen Dank,
malenki
(mein Kleiner)», sagte mein Vater und griff nach seiner

Weitere Kostenlose Bücher