Superdaddy: Roman (German Edition)
dafür auch nur um einen Tag nach hinten zu verschieben. Wozu auch, wenn man einen gescheiterten Komiker als Mann hatte?
papa?
Und was war überhaupt mit Luna? Sie war vierzehn! Sie war der Grund, warum wir keinen Babysitter mehr engagierten. Weil es keinen Sinn hatte, eine 13-jährige Babysitterin zu engagieren, der unsere 14-jährige Tochter dann Vorträge über Theorie und Praxis des Anarchismus hielt. Hätte Luna Lasse jetzt nicht erzählen können, dass die Tür nur knarzte, weil dahinter ein Hamster mit Fußpilz saß? Der ganz doll aufs Klo musste? Man musste Lasse nur zum Lachen bringen. Hatte Luna nicht sogar versprochen, auf die Kleinen aufzupassen? Zumindest hatte sie »Jaja« gesagt, als ich sie gebeten hatte, zu Hause zu bleiben. Aber stattdessen war sie wahrscheinlich spontan mit ihrer Freundin Marie abgehauen, um Feuerwerkskörper in den umliegenden Zigarettenautomaten zu deponieren. Und ihre Sammlung selbstabgebrochener Mercedessterne zu erweitern. Luna hatte die grünen Augen, die wundervolle Mähne und das ausgeprägte Verantwortungsgefühl ihrer Mutter.
Es klopfte.
Auch das noch. Hardy, der Veranstalter, öffnete die Tür, ohne ein Herein abzuwarten. Schließlich war es sein Laden. Ein alternatives Kulturzentrum wie die Villa war erstens selbstverwaltet, zweitens links, drittens gegen Stuttgart 21, Gorleben, die Elbphilharmonie und die Fehmarnsundbrücke. Und viertens wurde es seit vierzig Jahren autokratisch regiert von einem wie Hardy. Eigentlich total beeindruckend, wen er alles schon hier gehabt hatte: von Dieter Hildebrandt bis Harald Schmidt, von Dieter Nuhr bis Django Asül. Das Problem war nur: Ich hatte noch nicht meinen Mantel ausgezogen vorhin, da hatte er schon angefangen zu erzählen, was er mit ihnen gesoffen und welche guten Tipps er ihnen gegeben hatte. Im Grunde hatten sie ihre Karriere alle Hardy zu verdanken. Er hatte sie entdeckt. Alle. In Wirklichkeit hatte er natürlich niemanden entdeckt, und auf der deutschen Comedy-Preis-Verleihung würde keiner von ihnen ihm auch nur die Hand geben. Zum Glück blieb ihm das erspart, weil ihn niemand auf die deutsche Comedy-Preis-Verleihung einlud.
»Es geht weiter!«, flüsterte er verheißungsvoll wie ein Papa vor der Heiligabend-Bescherung. Er hatte Mundgeruch. Aber ich musste freundlich bleiben. Ich konnte auch gar nicht anders. Ich hätte dringend mal ein Unfreundlichkeitstraining beim Verband deutscher Hausmeister absolvieren müssen.
»Kommst du?«, fragte er. Wieso duzte er mich überhaupt? Ich nickte, lächelte, sagte, dass ich gleich käme, und schob ihn raus. Ich würde jetzt zu Hause anrufen. Das würde zwar in einer Katastrophe enden, aber ich musste es trotzdem tun. Ich wählte die Nummer. Es tutete ein Mal, dann hörte ich Lasses Stimme.
»Papa?«
Es klang, als habe er seit Stunden geweint.
»Ja, mein Süßer, was ist denn?«
»Linus hatte gesagt, dass ich das nicht kann. Aber ich kann das eigentlich. Es war nur ganz blöd gelaufen. Weil, er hat in dem Moment, da hat er irgendwas anderes gesagt. Und mich total abgelenkt. Er hat ganz laut gerufen, ich soll aufpassen.«
Das wäre wohl auch klüger gewesen. Er weinte.
»Lasse? Was ist denn passiert?«
Vermutlich etwas unaussprechlich Schreckliches. Denn er sagte immer noch nichts, sondern schluchzte nur. Es ist schrecklich, das eigene Kind schluchzen zu hören. Nicht zum Aushalten. Für mich jedenfalls. Charlotte hielt mir immer Vorträge, man dürfe die Kinder nicht in ihrem Schmerz bestärken, auf keinen Fall dürfe man Mitleid zeigen, dann igele das Kind sich in seinem Schmerz ein und baue sich ein Iglu aus Selbstmitleid. Wahrscheinlich hatte sie recht. Wahrscheinlich riefen die Kinder immer mich an, weil sie das wohlige Iglu-Gefühl nur bei mir kriegten. Später würden sie dann verwöhnte Tyrannen und müssten in Salem für sauteures Geld zu der Selbstdisziplin gedrillt werden, die ein internationaler Finanzmanager eben brauchte. So jemand wie mein bester Freund Max.
»Lasse? Du musst mir sagen, was los ist! Ich muss gleich auf die Bühne!«
Ein sehr lauter Schluchzer. Die pure Erpressung. Ich sah seine zitternde Unterlippe vor mir.
»Lasse? Kannst du mir mal Linus geben?«
Nichts.
Es klopfte schon wieder. Im nächsten Moment hatte Hardy seinen Kopf durch die Tür gesteckt.
»Es geht weiter!« Er lächelte. Und das Lächeln sagte: Weißt du eigentlich, wer du bist? Und du glaubst, mir auf der Nase rumtanzen zu können, indem du zu spät aus der Pause
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